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Leserbrief zum ZEIT-Artikel
Zu schräg für unser Gehirn
von Christoph Drösser
DIE ZEIT, 15.10.2009 Nr. 43

[ Artikel (und zahlreiche Leserkommentare) online hier ]


*** Von der Redaktion nicht veröffentlicht (Stand 29.10.2009) ***

Betr. 15. Oktober 2009 DIE ZEIT Nr. 43
S.37 Wissen
Zu schräg für unser Gehirn / von Christoph Drösser

Liebe WISSEN-Redaktion,

wenn Sie sich so ausführlich über die Fehlentwicklung der Neuen Musik äußern wollen, hätte es nicht schaden können, hier und da die Kollegen Ihrer Musik-Redaktion zur Beratung heranzuziehen. Vielleicht hätte man die gröbsten Absurditäten vermeiden können: "Auch ein Neuerer wie Beethoven war zunächst auf Unverständnis und Ablehnung gestoßen, bevor Freude schöner Götterfunken zum Welthit wurde."

1) Beethoven wurde schon in seinen frühen Wiener Jahren als überragender Komponist erkannt, ungeachtet einiger Krittelei im Detail.

2) Meinen Sie im Ernst, diese Melodie, für sich genommen, sei Beethovens größte Erfindung? Und dergleichen habe Schönberg nun leider verfehlt?

Angenommen, Schönberg habe vorwiegend Werke geschaffen, die Beethovens späten Streichquartetten gleichen, - erwiesenermaßen keine "Welthits", aber immerhin Jahrhundertwerke - , so habe er als Komponist versagt?
Woher haben Sie nur den Schwachsinn, dass "die Zwölftonkomponisten im Gefolge von Schönberg" erwarteten, dass das Publikum Zwölftonreihen wahrnehmen und auch im Rückwärtslauf erkennen müsse?
Was soll ich von dem Hannoveraner Professor Altenmüller halten, wenn er wirklich behauptet hat, er kriege eine Gänsehaut, wenn er eine (Zwölfton-) Serie erkenne? Über die Wirkung von Musik sagt das rein gar nichts, lediglich über ein etwas kindliches Leistungsdenken. Sie müssen ihn missverstanden haben!

Für einen Musiker ist es ärgerlich, solche oberflächlichen Artikel zu lesen, zumal die angerissenen Themen ja durchaus ernstzunehmen sind. Der Vergleich mit der modernen bildenden Kunst ist im Grunde ebenso unausgegoren wie der Vergleich des Konzertsaals mit einem Gefängnis. Mit Freunden diskutieren und einen Kaffee trinken?! Das ist es, was Sie für kunstgemäß halten?

Einem Freund würde ich sagen: Kannst Du denn niemals die Klappe halten???
Ihnen sagen ich ganz höflich:
Versuchen Sie derlei populistische Anbiederungen doch nur einmal im verbalen Bereich, sagen wir in der Sloterdijk-Debatte, - Sie würden sich reihenweise Proteste einhandeln. Mit Recht.

Mit freundlichen Grüßen
Jan Reichow




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