Sie befinden sich hier : Jan Reichow > Startseite > Texte > für das Radio > 02.08.2005 Ganeshas Gruß |
WDR 3 OPEN SOUNDWORLD 02. August 2005 23.05-24.00 Uhr Ganeshas Gruß und Abschied der Violinen Südindische Lebenslinien "Cakkani Raja..." - der Kern einer Melodie des Heiligen Thyagaraja, er starb - fast 88 Jahre alt - am 6. Januar 1847 in Tiruvaiyaru, nicht weit von Tanjavur, Tanjore, der großen Stadt der Tempel in Südindien. Thyagaraja hat diese Melodie gesungen, singend erfunden, - eine sich entfaltende Melodie mit einem Text. Der am meisten verehrte Komponist der südindischen Musik. 24.000 Gesänge soll er erschaffen haben, 800 sind erhalten. Die meisten an Gott Rama gerichtet, zu den schönsten gehört "Cakkani Rajamargamu": 2) I-116 472-71 Bd. 5 ab 8:00 "Cakkani Rajamargamu" mit Mani Krishnaswami WDR 1971 (35:50) Cakkani Rajamargamu3) Konzert Brotfabrik I Tr. 18 ab 10:54 "Cakkani Raja..." bis ca. 15:00 (34:07)
Der Heilige Thyagaraja starb 1847, einer seiner Schüler (I) war Lalgudi Rama Iyer, geboren 1807; Es mag uns unbedeutend erscheinen, wie aus einem kleinen Kern in vielen Varianten, die sich allmählich aufwölben, eine Komposition entwickelt wird, die offenbar nur so und nicht anders verlaufen darf. Es ist die kristalline Form eines Ragas.
und der folgende könnte Sie an "Dur" denken lassen, 5) Konzert Brotfabrik I Tr. 12 "Vatapi"-Alapana ab 0:00 bis 0:25aber statt der zwei Tongeschlechter, der zwei "Modi" Dur und Moll, gibt es in Südindien nicht nur ein paar mehr, sondern Hunderte oder sogar Tausende von Ragas. Das zu wissen, hilft uns nichts: wir müssen wenigstens mal mit einem einzigen wirklich ernst machen; - nein, ernst ist es nun auch wieder nicht, es ist wunderbar leicht. 6) Konzert Brotfabrik I Tr. 12 "Vatapi"-Alapana noch einmal, vor 0:34 folgenden Satz drüberSo leicht wie der elefantenköpfige Gott Ganesha... (Musik hoch; bei 0:34 beginnt "Vatapi"-Komposition)Der Komponist dieses berühmten Stückes heißt Muttuswami Diksitar, er ist nach Thyagaraja der zweite in der Trinität klassischer südindischer Komponisten, die alle drei um 1800 lebten. Seine eigentlich gesungene Komposition ist an den elefantenköpfigen Gott Ganesha gerichtet, der als wohlwollender Helfer und Überwinder von Hindernissen verehrt wird und aus verständlichen Gründen von Künstlern gern zu Beginn eines Konzertes angerufen wird.
Wir stehen noch ganz am Anfang: Und so will ich, ein für allemal, (Aus den "Zahmen Xenien" von Johann Wolfgang von Goethe). Hier irrt Goethe. Vielleicht, weil er die Musik seiner Zeit nicht kannte und nicht kennen konnte, - die seiner Zeitgenossen in Südindien. Magische Lebenslinien, in die Luft gezeichnet. (Musik bis ca. 5') |
NB Collage entfällt in der Radiosendung aus Zeitgründen! 7) Collage aus verschiedenen "Vatapi"-Interpretationen 9:29 Einen einzigen Nordinder hatten wir in diese südindische Serie hineingeschmuggelt, Imrat Khan, und im Nachhinein wurde klar, dass er sich eine melodisch deutlich vereinfachte Version zueigen gemacht hat. |
Ist uns Ganesha nun nicht schon ganz vertraut? Er grüßt uns, wir grüßen ihn, sobald die Melodie beginnt. Obwohl wir ja das vollständige Lied noch nicht kennen. Nicht einmal den Namen des Ragas. Doch! Haben wir ihn nicht genannt?? Es ist Hamsadwani. (Musik beginnt)Und so klingt dieser Raga, wenn er nicht auf "Vatapi Ganapatim" hinausläuft. Der große Lalgudi G. Jayaraman hat uns daran - 1982 im WDR-Studio - gezeigt, was ein Varnam ist, eine Art Konzertetüde, im Raga Hamsadvani. Wenn Sie genau hinhören, werden Sie - neben der sirrenden Grundtonlaute und der Mrdangam-Trommel - noch einen zweiten Geiger bemerken: das ist der damals 22jährige Sohn Jayaramans: Lalgudi Krishnan. 8) 5074 327 Tr. 1 Varnam mit Lalgudi G. Jayaraman Anfang bis 2:54Der erste Teil eines Varnams in Raga Hamsadwani.
Damals hatten wir nur vage Vorstellungen, was ein Varnam ist, heute gibt es eine gründliche Studie mit Notationen und einer Doppel-CD mit Varnam-Aufnahmen verschiedener Meister der südindischen Laute Vina. Autorin: Emmie te Nijenhuis. Doch das allein könnte ein abendfüllendes Thema sein! Lalgudi Krishnan und Lalgudi Vijayalakshmi mit Ensemble in der Bonner Brotfabrik am 12. Juni 2005. "Vatapi Ganapatim" Gesang an den elefantenköpfigen Gott Ganesha, der so hilfreich ist. Eine Komposition von Muttuswami Dikshitar. In Southindian music, when we talk of compositions, it has lyrics, a set of lyrics takes a musical journey, which is a methodical, logical progression of melody. The course that it takes also depends of the meaning of the lyrics. The sangati embellishes the basic line progressively and it brings to the forefront the nuances of a raga and also brings to the forefront the meaning of the lyric. Sangati - diesen Prozess der fortschreitenden Ausgestaltung muss man erst in den Blick bekommen. Wie ein Muster, von dem zuallererst nur die einfachen Grundlinien ins Auge fallen, während bei näherem Hinsehen immer feinere Zwischenlinien und Ornamente zum Vorschein kommen. Erinnern Sie sich an die einzelnen Stufen? Denken Sie auch noch daran, dass dahinter die ursprünglich gesungenen Linien einer Komposition stehen. Hier sind mehrere Stufen der Entwicklung nebeneinandergestellt, gesungen und gespielt. 11) Konzert Brotfabrik EinzelbeispieleTr. 4 Anfang bis 0:15
Sangati. Die Kunst der auskomponierten Sangati-Varianten soll von Thyagaraja in die südindische Musik gebracht worden sein, aber Muttuswami Dikshitar hat sie gleichermaßen angewandt, und der dritte in der klassischen Trinität, Shyama Shastri, ebenfalls. Drei Meister, die den klassischen Formtypus der Krti geschaffen haben. Eine Form. Aber schon eine Tonleiter ist keine Ton-Leiter... 12) Noltensmeier-Interview mit Vijayalakshmi: Tr. 3 ab 0:53 bis 1:47If you take C major, which is Shankarabatnam to us, the scale is called Sh. (singt Skala auf- und abwärts); now when my father sings the scale as a ragam (singt ausgearbeitete Skala), when my father sings this, I should be able to play it with the same continuity, same intonation. Lalgudi Vijayalakshmi über die Lehr-Methode ihres Vaters. Die folgende Komposition stammt nicht aus dem Zeitalter der Trinität, sie ist neueren Datums, 1975 wurde sie in einem Berliner Studio eingespielt. Alle Aufnahmen, die damals mit der Vinaspielerin Rajeswari Padmanabhan entstanden, mit ihrem Bruder an der zweiten Vina und dem ganzen Ensemble, wurden jetzt auf einer Doppel-CD herausgebracht, versehen mit einem hervorragenden analytischen Begleittext, Fotos und Notationen von Pia Srinivasan. Es handelt sich um einen anderen Typ von Komposition, das erkennt man sofort: etwas sprunghaft, kapriziös, und noch mehr auf Rhythmus gestellt; das kommt aus der Tanzmusik, - "Tillana" nennt man den Stil. Und dieses Tillana stammt von niemand anderem als dem Geiger Lalgudi G. Jayaraman, von dem mehrfach die Rede war. 13) Sambho Mahadeva CD I Tr. 7 ab 0:50 bis 2:51, dann unter TextZum Glück können wir das Stück auch in einer womöglich noch authentischeren Version hören: der Komponist selbst hat es 5 Jahre später beim Festival West-Östliche Violine im WDR als Zugabe gespielt:
Abschied der indischen Violine am Ende einer Nachtmusik, Raga Sindhu Bhairavi: "Sindhu" deutet darauf, dass der Raga aus der Hindustani-Musik des Nordens übernommen wurde und einige Freiheiten enthält. Sein melancholischer Charakter zeigt sich in der Einleitung, im Alapana, wird aber durch das kapriziöse Thema der Komposition sehr reizvoll unterlaufen. Lalgudi G.Jayaraman am 17. Mai 1980 in Köln. Seine Tochter Vijayalakshmi und sein Sohn Krishnan am 12. Juni 2005 in Bonn: 15) Interviewausschnitte unterlegt mit Musik (5074 327 Tr. 2 ab 13:00 bis23:10)Ein Ozean des Lernens. Mein Vater ist eine Schatzkammer.Noltensmeier-Interview mit Vijayalakshmi Tr. 5: I have a lot to learn from my father, it's an ocean, and it's a never ending process, if I go back and I go back to my lessons, because I feel my father is a treasure ... and he has a lot to give.(Musik kurz hoch) Musik ist kein Ding, Musik ist ein weiter Weg...Krishnan: Tr. 11 4:18 I picked up, and I started accompaning where ever my father performed, 1973. And... I have performed all over the world along with him in different festivals of India, and it is a great thing to be with him, to whatch him perform, (...) so I am really blessed to be the son of a great maestro, so I could assimilate, absorbe whatever... rich experience..five generations of musicians. I am really lucky, and even today when we perform, he has something to say. Music according to him and according to me is a way (not a thing), its a long way.(Musik kurz hoch) Mein Vater ist ein Perfektionist; in allem, was er tut, herrscht absolute Klarheit!Noltensmeier-Interview mit Vijayalakshmi Tr. 8 ab 0:17 When I take my father...as I don't think I can find all the qualities in a person, in any person, except my father. He is a perfectionist to the core. I have learnt so much from him, when he delivers a speech, there is absolute clarity in that, when he writes an address, there is absolute clarity, and when he goes to a new place, he has all the directions, everything in hand, there is no confusion about it. Time management, everything is perfectioned to the core, so even planning a concert, and approaching people, everything and looking at new things and taking new values from nature, even when he whatches a film, a picture, he is able to appreciate something that has not been noticed by others. His mind is something very unique, and I try to take as much as possible from him.(Musik kurz hoch) Fünf Generationen Musik liegen hinter uns; und natürlich war ich immer von Musik umgeben.Noltensmeier-Interview mit Krishnan Tr. 11 über die Trinity und seine Herkunft (Tyagaraja) I was born in a family the 5th generation...Trinity: St Tyagaraja, S.Sastri and Diksitar were responsible for the content of the music, of karnatic music, so my great great grandfather was a direct disciple of the Saint Tyagaraja, he was a vocalist, and his son was the first violinist in the family, his name was Radhakrishna Iyer. And his son was V.R. Gopal Iyer, also a violinist, and his son is my father, Padmabushan Lalgudi Jayaraman, after... I am the first issue in the family, and naturally there is music all around. My father was very busy with his concerts performing all over the place...(Musik kurz hoch) Es gibt Masse, und es gibt Klasse. Die Musik meines Vaters ist nicht für die Masse; es genügt, wenn wir ein paar hundert Menschen erreichen.Noltensmeier-Interview mit Vijayalakshmi Tr. 9 There is a mass appeal and there is a class appeal. So... my father's music reaches the class, not the mass. so, some people, it goes just over their head, they miss the final quality of his music, but it is not important I think, it is enough, that we are able to reach a few hundreds rather than... Ich glaube, es sind mehr als ein paar hundert... Jedenfalls, wenn man Sie, liebe Hörerinnen und Hörer zu Hause an den Lautsprechern, mitrechnet. Fast möchte man sagen, das Werk ist auch auf ein neues größeres Publikum zugeschnitten. Oder liegt's am beherzten Zugriff der jungen Generation? Es folgt also dieselbe Komposition von Lalgudi G. Jayaraman, die er - wie Sie vorhin gehört haben - am 17. Mai 1980 als Zugabe im Konzert "West-Östliche Violine" im großen Sendesaal des WDR gespielt hat, - hier nun interpretiert von Sohn und Tochter Lalgudi Krishnan und Vijayalakshmi. Auf der Mrdangam-Trommel werden sie begleitet von Neyveli Venkatesh, auf der Kanjira-Rahmentrommel von Herbert Lang. Ein Abschiedsgruß der Violinen, am Ende des Konzertes in der Bonner Brotfabrik, Rheinisches Musikfest, 12. Juni 2005. 16) Konzert Brotfabrik Bonn "Thillana" (Lalgudi G. Jayaraman) WDR 3 Open Soundworld. Sie hörten "Ganeshas Gruß und Abschied der Violinen" - Südindische Lebenslinien vom Heiligen Thyagaraja bis zu dem legendären Geiger Lalgudi G. Jayaraman, dessen Thillana-Komposition hier von seinen Kindern gespielt wurde, die inzwischen längst selbst zu Meistern geworden: der Geiger Lalgudi GJR Krishnan und die Geigerin Lalgudi Vijayalakshmi. Sie wurden begleitet von Neyveli Venkatesh auf der Mrdangam-Trommel und von Herbert Lang auf der Kanjira-Rahmentrommel. Das Interview mit den Künstlern führte Ralf Noltensmeier. Eine vollständige Wiedergabe des Konzertes vom 12. Juni 2005, mit dem vollständigen Interview als Pausenbeitrag, können Sie sich vormerken für den 28. Oktober, WDR3 Konzert von 20.05 bis 23.00 Uhr.Die heutige Sendung wurde erdacht und entworfen von Jan Reichow, technisch realisiert von Alexander Hardt. Christiane Wedel wirkte als Sprecherin mit. Eine graphische Übersicht zur Generationenfolge von Thyagaraja zu den Lalgudis, Hinweise zu CDs mit den Künstlern und weiteren Projekten des WDR mit indischer Musik erhalten Sie auf Wunsch von der Redaktion, (nächste Musik beginnt 0:00 bis 0:30, dann unter Text) Wir verabschieden uns mit den ausdrucksvollen melodischen Gesten, die Ihnen sicher von vorhin im Gedächtnis geblieben sind. Lalgudi G. Jayaraman hat sie dem Raga Sindhu Bhairavi abgewonnen. Viele Wendungen und Melodien in dieser Sendung waren mehrfach zu hören: nur so lernt unser Bewusstsein, in einem scheinbar unberechenbaren Auf und Ab allmählich musikalische Bedeutung wahrzunehmen. Schönheit, Grazie und Leben. Fremde Melodien werden zu unseren eigenen Lebenslinien. (Musik hoch) 17) wie 14 Lalgudi G. Jayaraman 1980 "Tillana" nur Alapana (Anfang bis 2:04) *********************************************************************** Für diese Sendung verwendete Literatur und Musik
******************************************************************** CD-Suche und Bestellungen:
Jan Reichow © 2005 |
© Dr. Jan Reichow 2005 | Im Netz ... Jan Reichow < Startseite < Texte < für das Radio < 02.08.2005 Ganeshas Gruß |