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WDR 3 Donnerstag, 13. April 2006
15:05 - 17:00 Uhr
Musikpassagen
mit Jan Reichow

Wie Kevin Volans uns einmal mit Johnny Clegg bekannt machte
und sich vom Distelfink nicht stören ließ


Ein Frühlingsgespräch mit Fernblick:
die Schichtung des Waldes, Vogelstimmen, Bachs Choräle,
Schuberts Flussbetten, Zulu-Gesänge, unendliche Kanons,
Glockenläuten, Mbira-Muster, Kora-Kaskaden...

Redaktion: Bernd Hoffmann

(Musikpassagen-Vorspann)

Am Mikrofon begrüßt Sie J.R., - meine Damen und Herren, Sie wissen es: nie sieht der Wald schöner aus als im Frühling. Man könnte vielleicht den Herbst dagegenhalten, aber erstens hat seine Farbenpracht nicht soviel Gutes zu bedeuten, - Ende, aus und vorbei! -, zweitens ist sie viel zu krass und bevorzugt Rot-, Gelb- und Braun-Töne. Und was ist das gegen die zarten Abstufungen des Grüns im Frühling?! Vom Blühen will ich gar nicht reden. (Musik beginnt)

Bei aller Liebe zu Gustav Mahler, der Anfang der ersten Sinfonie ist genial erfunden, "Wie ein Naturlaut" steht darüber, aber Frühling ist das nicht, dieser starre, gleißende Klangvorhang. Und auch die Vogelstimmen sind nur Motive, die zu dem Lied "Ging heut morgen übers Feld" gehören.
Ein Feld also. Oder sehen Sie einen Wald? Die wunderbare Schichtung des Blätterwerks der Buchen, das Moos, die Farne, die Holunder- und Weißdornbüsche und dahinter die mächtigen Stämme, - merkwürdig: in unserer Vorstellung erscheint der Wald immer zuerst als Waldrand. Und dies ist vielleicht seine interessanteste Stelle. Nein, noch interessanter sind die Lichtungen im Waldesinneren, also all die Stellen, wo die Sonne bis zum Boden durchdringen kann.

1) Gustav Mahler Sinfonie D-dur Nr. 1 Satz 1 Anfang 3:30
Kölner Rundfunk-Sinfonieorchester / Gary Bertini
EMI Classics 0946 3 40239 2 4 (WDR) LC 06646
2) Vogelstimmen: The Sound of Nature / A Symphony of Birdsong 1:30
Tr. 13 Morgendliches Vogelkonzert vor dem Gewitter
Wergo Spectrum SM 9004-2 LC 0846
"Wir gehen auf thauumperltem Pfad
Durch schlankes Gras, durch duftges Moos
Dem grünen Dickicht in den Schoos"
- Verse des ansonsten unbekannten Dichters Gustav Pfarrius, die Robert Schumann ursprünglich der ersten seiner neun Waldszenen op. 82 vorangestellt hat.
Das Stück heißt "Eintritt", Tempobezeichnung: Nicht zu schnell. Das ist ein guter Rat, - so bleibt uns Zeit, den Blick nach oben zu richten und die Schichtung des Waldes zu genießen wie die Schichtung der Stimmen und der parallel geführten Melodien.
3) Robert Schumann: Waldszenen op.82 Tr. 1 "Eintritt" 2:00
Scènes de la Forêt / CD 2 Eric Le Sage, Piano /RCA 74321 987112 LC 00316
Es war im Frühling 1981, als Kevin Volans uns besuchte, der Komponist aus Südafrika. Damals war er noch völlig unbekannt, eine CD des Kronos Quartets, "White man sleeps", hat später seinen Namen schlagartig in der ganzen Welt zu einem Begriff gemacht. Heute kann er damit rechen, dass sein neues Klavierkonzert in Los Angeles von Marc-André Hamelin uraufgeführt wird. Damals war Frühling, wir blickten von der Terrasse auf den Waldrand, der Zulu-Musiker Sipho Mchunu hockte am Hang unter der alten Eiche, an deren Stamm ein Haufen Steine angeschüttet worden war; und er prüfte jeden einzelnen Kiesel: er glaubte an die Kraft dieser Steine und wollte ein paar erlesene Stücke daheim in die Mauern seines Hauses einfügen.

Wir haben die Mauern 2 Jahre später mal im Fernsehen gesehen, als ein Bericht über das schwarzweiße Duo Sipho Mchunu & Johnny Clegg lief, das Duo Juluka. Man hatte natürlich alles neu recherchiert, denn zum Zeitpunkt unseres Kölner Zulu-Festivals im Jahre 1981 schien diese Musik noch ohne tiefere Bedeutung. Kevin Volans kannte die Wurzeln der Gitarren- und Konzertina-Musik der Zulus: es begann mit den Wanderarbeitern der Diamant-Minen in den 20er, 30er Jahren; vor allem mit den Wild-West-Filmen, die sie Freitag-, Samstagabend zu sehen bekamen.
Hier ist der Original-Ton Kevin Volans Mai '81. Leicht ist das nicht zu verstehen, aber warten Sie nur, es wird noch schwieriger...
Und der Vogel, der sich vom Hintergrund aus beteiligt, ist ein Distelfink-Kanarien-Mischling.
Kevin Volans ließ sich nicht stören, er wollte viel wissen von Johnny Clegg.

CD I Interview: zunächst: 0:05-0:12 / dann ab 0:59 bis 2:28
JR: "Was wollen wir denn überhaupt wissen?"
Kevin Volans: "Ja, alles! - Ich fange an:


The history of it. As far as I can figure out, it started in the 20s or 30s with migrant workers, basically as far as my information goes the ... (?) [Zulu word] tradition on the mines and places like that. And they the day were, I mean according to the transformation, they were very much influenced by, by the Wild West. I mean like movies were shown to the workers and on Saturday or Friday nights. And that there was a whole tradition of the closing work time handkerchief around the arm (02:09), tying your trousers under the knees, in imitation of the Wild West cowboys. And then also the guitars. But of course, there is also older imitation: Rumkies (?) started like that. So I don't know where we would like to sort of start." (02:28)
4) Southafrica: Johnny Clegg & Sipho Mchunu Tr. 18 "Ngwaka" (trad./arr. Juluka) 2:23
Cologne Zulu Festival World Network 54.036 LC6759
Johnny Clegg und Siphu Mchunu, das Duo Juluka; Kevin Volans hatte uns mit den beiden bekannt gemacht, und nun sitzt Johnny Clegg ihm gegenüber am Gartentisch, während Sipho die Kieselsteine prüft. Sorgfältig verstaut er seine kleine Ausbeute.
Sie ist jedenfalls nicht zu vergleichen mit der Ausbeutung der südafrikanischen Minen, die Johnny Clegg erwähnt; das war in der Tat eine gigantische Angelegenheit: das "Big Hole" bei Kimberley ist angeblich das größte von Menschenhand geschaffene Loch. Hier wurden zwischen 1871 und 1914 Diamanten gesucht. 22.500.000 Tonnen Erde und Gestein wurden bewegt. Dem steht eine Ausbeute von 2.722 kg Diamanten gegenüber. Diese Menge an Diamanten passt in drei Loren, die man zum Vergleich mit dem Big Hole oben neben dem Aussichtspunkt aufgestellt hat.
Die Digger, die Diamantengräber waren aus der ganzen Welt gekommen, eine wilde Fusion von Menschen und Kulturen. Die Zulus waren keine Minenarbeiter, sie arbeiteten über Tage, waren aber in unmittelbarem Kontakt mit dem, was sich da tat. Ihre Tänze verraten es, auch ihre Gitarren- und Concertina-Tradition.
CD I Interview ab 2:28 (Kimberley), dann ab 3:10 bis 4:55

Johnny Clegg:
"I just point out that the mines is such a powerful institution... culture in Zulu... industrial experience. The Zulus were not miners. What they, what they tended to be were municipal workers. Also the first openings to the Kimberley da..(?) diggings, alluvial diggings. Above ground they were really much involved in it." (03:03)
(Kevin Volans:
"Can you perhaps talk a bit louder to the microphone?")

Distelfink!

Johnny Clegg:
"(So, the mine influences is one which is secondary.) They were aware of the mines, they were aware of the enormous influence and fusion of cultures that mining, the mining industry generated. Even today some of the dances take the structure, I mean there is a similar structure to most of the Zulu dances which use whistles and drums to lower the stacks of se...(?) in the mines. (3:47) And I am not sure which influenced which. But because the Zulus were never on the mines, perhaps it was miners who influenced (?) the Zulus, I don't know. The guitar tradition is obviously, I think, a bit older than the concertina one. The guitar was brought at the 14th century to reach Africa with the Portuguese explorers. The concertina is, I think, maybe Finnish (?), German, Dutch influence."
5) Concertina: Johnny Clegg & Sipho Mchunu Tr. 9 "Isitimela" (trad./arr. Juluka) 2:23
Cologne Zulu Festival World Network 54.036 LC6759

6) Gitarre: Johnny Clegg & Sipho Mchunu Tr. 2 "Umanqoba" (trad./arr. Juluka) 3:06
Cologne Zulu Festival World Network 54.036 LC6759
(unter folgenden Text)

Und dann nimmt Johnny Cleggs Bericht zur Herkunft der Gitarren- und Concertina-Musik bei den Zulus eine interessante Wendung: er sagt, diese Art zu spielen oder mit diesem Spiel Leute zu fesseln, das habe mit dem Geist des Wettkampfes zu tun. "Competition"! Und diese musikalische Competition komme aus dem Stock-Fechten, aus dem stick fight, die Sprache, mit der man sich musikalisch verständigt, sei metaphorisch aus der des Kampfes übernommen:
CD I Interview ab 28:00 bis 35:00
[S.10]
Johnny Clegg:
"Well, in the guitar music there is a traditional format. And we go back. Both the guitar and concertina music tradition developed, because of one important factor, I believe. And that is that the mode of competition... that the music competitions were based on, were stick fight. (28:10) So you would meet somebody in the street, he'd have a guitar, you'd have a guitar. And the people around would qatha you! Sorry - Q A T H A. It means to set you (?) upon each other. And they would say, you know: 'Let's see who's the best player!' But the language in which the competition was presented was that of a stick fight. Military and martial metaphors...
[S.12 abschließend:]
Johnny Clegg:
"Yea, well, the Zulus have a stick fighting culture (34:06) in which all disputes and points of honour are debated physically. And every single young man is taught by the time when he starts herding till the time he stops herding, he, everyday he goes through training which he puts himself through or else he's trained by older boys. And every man can fight. So because every man can fight every man can understand the metaphor. Any man not according to the guitar, but he understands, he elaborates on the theme of stick fighting."
7) Southafrica Johnny Clegg & Sipho Mchunu Tr. 5 "Inhiliziyo" (trad./arr. Juluka) 1:20
Cologne Zulu Festival World Network 54.036 LC6759 (ab instr. 2:03 - 2:35)

8) Gesang der Waldamsel Tr. 5 (+ Klappergrasmücke, Zaunkönig, Fitis u.a.) 1:30
Wergo SM 9011 2 IC 00846
(unter Text:)

Es waren schöne Tage damals, Mai 1981, eine neue Welt hatte sich uns erschlossen, meine abendländische Logik wurde auf andere Weise herausgefordert als etwa durch indische Musik, die scheinbar ohne Punkt und Komma von Anfang bis Ende läuft. (Scheinbar! sage ich. ) Aber hier handelte es sich um eine ganz andere Geschichte: ein und dieselbe Phrase, wieder und wieder, - wo bleibt die Logik? Gott sei Dank: nirgendwo und überall - oder ist es nicht logisch, dass glückliche Tage nie enden?
Happy days, happy days! Reminding us of happy days...
9) Ladysmith Tr. 10 "Sibezwa Bekhuluma" (J.Shabalala) ab 1:30 (3:23) 2:00
The Best of Ladysmith Black Mambazo / The Star and the Wiseman
Polygram CD 5652982 (LC 7341)
Darin steckt schon eine Logik. Und wie klingt unsere unbestechliche Logik?
"Ach, ich habe schon erblicket
alle diese Herrlichkeit!
Jetzund werd ich schön geschmücket
mit dem weißen Hochzeitskleid;
mit der weißen Ehrenkrone
steh ich da vor Gottes Throne,
schaue solche Freude an,
die kein Ende nehmen kann."

"Die kein Ende nehmen kann" / "Die kein Ende nehmen kann" / "Die kein Ende nehmen kann"...
Neinnein, so nicht. Sie hören doch, "ich habe schon erblicket alle diese Herrlichkeit!" Nach "Herrlichkeit" öffnet sich der Blick deshalb mit einem musikalischen Doppelpunkt:
"denn ich werde schön geschmücket mit dem weißen Himmelskleid!" Wofür und aus welchem Grunde, fragt man, denn wieder öffnet sich der Blick: Tatsächlich - "mit der güldnen Ehrenkrone steh ich da vor Gottes Throne."
Das ist es! Conclusio: Ich "schaue solche Freude an, die kein Ende nehmen kann!"
Und was geschieht, damit ich das glaube? Ohne Ende?!
Nichts. Das bloße Wort soll genügen. Das Wort und der Schlussakkord.
10) Bach BWV 162 "Ach, ich habe schon erblicket" Tr.8 1:03
Melodie: "Alle Menschen müssen sterben"
Joh.Seb. Bach BWV 162 Kantate "Ach, ich sehe, itzt, da ich zur Hochzeit gehe"
BACH EDITION Volume 23: Choräle / Brilliant 99575/3
Nordic Chamber Choir / Soloists of the Freiburger Barockorchester / Nicol Matt / ohne LC
Nun wissen wir natürlich, dass Johann Sebastian Bach die knappe Logik solcher Choralzeilen jederzeit durchbrach, wenn ihm nach Exegese zumute war. Allerdings werden die Zulus in Südafrika von ihren Herren, den Buren oder Engländern, nicht solche zauberhaften Gesänge vernommen haben, wie sie gleich folgen; ihnen wurden die einfachsten Harmonieblöcke eingepaukt. Es gibt ein Foto, das ein paar junge Schwarze hinter einem Harmonium zeigt, an dem ein dozierender Missionar sitzt. Man kann sich das musikalische und menschliche Machtverhältnis durchaus drastisch vorstellen.

Aber was Sie, meine Damen und Herren, jetzt hören, ist natürlich von ganz anderer Art, - zunächst mal ein schlichter, sanfter Choralsatz, an dessen einzelne Zeilen sich aber jeweils eine wundersame Meditation der Solostimmen anschließt. Sie geht vom letzten Akkord der Choralzeile aus, interpretiert sie mit Hilfe eines eigenen Textes und führt schließlich organisch zum ersten Akkord der nächsten Choralzeile. Das ist wirklich über alle Maßen schön!

11) Bach Motetten "Singet dem Herrn" Tr. 3 Gott, nimm dich ferner 4:47
Singet dem Herrn ein neues Lied BWV 225 Aria: "Gott, nimm dich ferner unser an" + Choral: "Die Gottesgnad alleine" /
Rias Kammerchor / René Jacobs
Harmonia Mundi 901589 (LC 07045)
Aus Johann Sebastian Bachs Motette "Singet dem Herrn ein neues Lied!"
Der Rias-Kammerchor, Leitung René Jacobs. Insgesamt eine unübertreffliche CD.
Wenn Sie meinen, dass die magische Kreisbewegung der Zulu-Lieder damit nicht viel zu tun hat, haben Sie natürlich recht. Allerdings...
12) Ladysmith Tr. 10 "Sibezwa Bekhuluma" (J.Shabalala) 2:00
The Best of Ladysmith Black Mambazo / The Star and the Wiseman
Polygram CD 5652982 (LC 7341)
Nein, mit Bach hat das eindeutig nichts zu tun... Allerdings hat Johann Sebastian Bach unendlich viele Werke mit ebenso gleichmäßig schreitendem Zeitverlauf komponiert, - früher hat man das eher motorisch als tänzerisch interpretiert, inzwischen ist das anders - man kann es im Grunde als Ausschnitt aus der Ewigkeit verstehen, aus Gottes Ewigkeit. Eine klar begrenzte Zeit innerhalb der Ewigkeit.
Und wenn wir nun an seine Rätselkanons denken, die ganz in sich rundlaufen, zumindest ideell kein Ende nehmen, genannt "Canon perpetuus".
Etwa dem Preußenkönig Friedrich dem II. gewidmet, der am ehesten Anspruch auf Unsterblichkeit hatte.
Oder wenn wir diesen schönen Kanon nehmen, den Bach einem Mann namens Faber gewidmet hat: F - A - B - E - R, ein gefundenes Fressen, die ersten 4 Buchstaben sind doch Notennamen, F - A - B - E, und was wird aus dem Buchstaben R? Bach liest ihn als "Repetatur", d.h. "wird wiederholt".
Also
F - A - B - E
F - A - B - E
F - A - B - E
Das ist ein Ostinato, über das Bach nun eine Melodie, die sich für einen 6 stimmigen Kanon eignet, und der kann potentiell ewig dauern.
Es ist die faszinierende Idee einer ewig weiterschwingenden Musik, wie sie im Spiel der Glocken gewissermaßen vorgeformt ist.
12) J.S.Bach BWV 1078 Kanon zu sieben Stimmen 1:20
vermutlich für Balthasar Schmidt alias Faber
DG Classics 453026-2 (LC 0173) Musica Antiqua Köln / Reinhard Goebel
13) CD New Ancient Strings Tr. 1 Bi Lamban (Toumani Diabate) 4:59
Toumani Diabate with Ballake Sissoko, Kora
Hannibal HNCD 1428 (LC 07433)
14) 3 Glockentöne von St.Joseph in SG-Ohligs 0:45
Aufnahme privat JR
15) Bizet: "L'Arlésienne" Tr. 8 Carillon ab Anfang bis 1:07
Georges Bizet: Arlésienne Suite Nr. 1 "Carillon"
Academy of St. Martin in the Fields / Neville Marriner
EMI Classics 724356988125 (LC 6646)
16) Marin Marais: "La Sonnerie de Geneviève" Tr. 1 (8:19)
"La Sonnerie de Ste. Geneviève du Mont de Paris"
Monica Huggett, Violine; Sarah Cunningham, Gamba; Mitzi Meyerson, Harpsichord
HMV France 907045 (LC 7045)
(folgenden Text nach 3:00 über Musik:)
Die Gambistin Sarah Cunningham, die hier nach Georges Bizets abrupt beendetem Orchesterstück "Carillon" mit der Nachahmung der Glocken schwer beschäftigt ist, schreibt im Booklet der CD, die dieses berühmte Geläut der Kirche Ste. Geneviève du Mont de Paris von Marin Marais enthält:
"Man kann sich leicht vorstellen, wie der Komponist, um nicht von dem unaufhörlichen, ewig gleichen Geläut der Kirche auf dem nahen Hügel zum Wahnsinn getrieben zu werden, sich stattdessen veranlasst fühlte, jede nur erdenkliche Gegenmelodie, Variation und Aufgliederung zu erfinden."

Einspruch, Euer Ehren! 3 Töne mögen als eintönig empfunden werden, wenn sie strikt im Tempo bleiben, aber nicht die Töne von 3 Kirchenglocken! Was sie faszinierend macht, ist die Tatsache, dass sie gerade kein "ewig gleiches Geläut" erzeugen. Die Abstände zwischen den Tönen verändern sich fortwährend, die Töne kommen einander näher und entfernen sich, - Rhythmen des Prinzips Zufall. Oder??? Im Gegenteil: Was könnte denn gesetzmäßiger der Schwung- und Schwerkraft folgen als die Glocken? Diese akustische Form von Ewigkeit konnte ein Komponist um 1700 allerdings nicht anders fassen. Und sein Werk vom Geläut, "La Sonnerie de Ste. Geneviève du Mont de Paris" ist wahrhaftig genial genug.
Ich kann nur das Geläut von St.Joseph in Solingen-Ohligs dagegen setzen. Immerhin mit einem vorüberfahrenden IC.
(Musik wieder hoch)
17) Glocken von St.Joseph in Solingen-Ohligs (mit vorüberfahrendem IC) 1:50
Aufnahme privat JR
Um ein wenig zusammenzufassen:
Wir haben die drei Töne, die ein Meer von Melodien gebären,
wir haben die Choralzeile, die gewissermaßen eine Quadratur, eine rigorose Kanalisierung der mittelalterlichen Fülle von Melodien darstellt,
und wir haben die Emanationen der Choralmelodie mit ihren Tonartstationen, die einen großen Satz, wie den der Bach-Motette übersichtlich machen.

Und verlieren diese kleinen Wirbel nicht aus den Augen, die sich bis zum Horizont fortsetzen - sie haben nichts mit den Glockentönen zu tun und erinnern doch ein wenig an deren Hin-und Herschwingen, wir kennen es aus den Zulu-Liedern des Duos Juluka, also Johnny Clegg und Sipho Mchunu, Gitarrenfiguren, in diesem Fall aus drei Tönen, und darüber die beiden Stimmen, die einander überlagern.
Und das Wort von den kleinen Wirbeln lässt mich an die hundertfach wiederkehrenden kleinen Gebärden denken, die wir aus der Barockmusik kennen, wenn Bach z.B. das nicht endende Seufzen und den Tränenfluss darstellt.

18) Southafrica Johnny Clegg & Sipho Mchunu Tr. 9 "Isitimela" (trad./arr. Juluka) 2:23
Cologne Zulu Festival World Network 54.036 (LC6759)
19) vgl. 30) Bach: "O Mensch, bewein dein Sünde groß" bis 0:58
Orchestereinleitung des Chors : "O Mensch, bewein dein Sünde groß"
Johann Sebastian Bach: Matthäus-Passion BWV 244
ERATO 2292-45814-2 (LC0200)
20) wie 18) (noch einmal, Ausschnitt) Southafrica 1:00
Johnny Clegg & Sipho Mchunu Tr. 9 "Isitimela" (trad./arr. Juluka)
Cologne Zulu Festival World Network 54.036 (LC6759)
21) Southafrica Ladysmith Tr. 6 "Nkosi Yamakhosi" (J.Shabalala) (3:33)
Ladysmith Black Mambazo Cologne Zulu Festival World Network 54.036 (LC6759)
(unter Text:) Johnny Clegg sprach an diesem Nachmittag im Mai 1981 auch über die lässige Präzision des Singens und meinte, dass es sich um die Anpassung einer "pagan" - also heidnischen - Kulturform an ein christliches Wertesystem handele. Und Kevin Volans fügte hinzu, dass es sich tatsächlich um westliche Standards handele: einen unpräzisen Weg, die Töne zu verstehen, umgesetzt aber offensichtlich auf eine sehr präzise Weise. Und wenn westliche Wissenschaftler das notieren, lassen sie bezeichnenderweise wieder die afrikanischen Eigenarten, Töne zu intonieren, unberücksichtigt. Von "wild feeling" ist die Rede, aber auch "emasculating" der heidnischen Musik, von "Entmannung" also,
Johnny Clegg fügt hinzu, dass da auch der Klageton der Zion Christ Church wahrzunehmen sei, das "wailing". Und dann überlagert das Geräusch eines vorüberfahrenden Zuges das Gespräch, gerade als es zu eskalieren beginnt, doch davon später.
Die Eisenbahn kommt im rechten Moment, denn Ladysmith Black Mambazo macht sie zum Thema: "Isitimela" - (engl.) "Steamela", wie schon bei Johnny Clegg und Sipho Mchunu in einem anderen Lied, das wir eben nochmal gehört haben.
Interview CD 2 ab ca. 34:00
Kevin Volans:
"For example with Ladysmith Black Mambazo. What you said before. About the precision of their singing."

Johnny Clegg:
"Well, the precision is a, or officially the singing is an appropriation of a pagan cultural form by a Christian... value, value system and musical structure. (32:53) This has been the case. Precision in this particular instance acts as... a mediator, allowing in pagan elements, if you want to call them that, but emasculating them and making their rigorous and perhaps dangerous, evil... robustness, allowing them in, making them accessible. But the means by which it is done is to place it within a precise ordered calculated rigorous structure, form. So you are... I was say... [sings] ok, it's a rustic.. whatever that is. Musingare (?)...ok that's the wild feeling. The feeling that the free spirit of the indigenous culture is coming out. (34:21) But to say:... [sings]. But I've done this. I kept the form, I've kept the melody structure, I've kept everything. But I have emasculated in some kind of way, I don't know how I put it to you. I've toned it down." (anspielen: Network Tr. 7 Anfangsrufe)

[Einfügung:]
Johnny Clegg:
"Cleaning it up, you know what I mean? Cleaning up indigenous music. Cleaning, and polishing, and scraping and cutting and putting together." (35:21)

Kevin Volans:
"You know, there has been sort of:.. [hums] that they are doing. That comes from tradition, right?" [humming]
Johnny Clegg:
[speaks Zulu]

Kevin Volans:
"Because that's really by Western standards, an imprecise way of reading the notes. But obviously it is very precisely done. But that, I mean, comes from... a lot of traditional singing does have this sort of: [hums]. But in a sense he formalised that too. [unclear] it's amazing when they all come up and hit it out. (36:14) First one has to see what's been retained then. Because that's an element which, if you transcribed the music, if a Western missionary transcribed it, he would have left that out. Whereas the things he kept in are very accurate. Joseph, I mean, he's kept it in, I mean that: [hums]."
Johnny Clegg:
"But don't forget that there's another element in that, and that's the wailing. The wailing of the Zionists. You must go to a Zionist church prayer meeting and hear the singing there. I mean, I went to the Shempa (?) people..."

(Kevin Volans:
"Well, how, as long as...")

Johnny Clegg:
[wails] [Forts.s.o.:] "But I have emasculated in some kind of way, I don't know how I put it to you. I've toned it down. I've toned it down."

(Kevin Volans:
"Shempa (?), yea, I went there. On the day after he died, so there were not in the mood to...") (37:16)
[Forts. von vorher:]

"I've toned, I've toned it down that. I've contained the spirit. And I've disciplined it. It's now ordered, accessible, you know, it's located squarely within the value system. For me, the whole Tratra (?), Bube (?) thing is clean. It's the first word that comes to head."

[Eisenbahn]

(Kevin Volans:
"Yea, that's exactly what I did to call the Mbira music."

Johnny Clegg:
"Cleaning it up, you know what I mean? Cleaning up indigenous music. Cleaning, and polishing, and scraping and cutting and putting together." (35:21) )
22) Southafrica Ladysmith Tr. 10 "Isitimela" (J.Shabalala) 2:45
Ladysmith Black Mambazo Cologne Zulu Festival World Network 54.036 (LC6759)
23) Canadian Brass Tr. 2 "Wendet euch um ihr Äderlein" (Samuel Scheidt) 1:46
Canadian Brass "Amazing Brass" Pinorrekt Records PRCD 3405038 (LC 07679)
24) Schubert Günter Wand Tr. 4 "Flussbett" Tr 4 ab 1:43 bis 3:48 2:05
Franz Schubert: 8. Sinfonie C-dur D 944 4. Satz Zweites Thema WDR 5102 658
WDR Sinfonieorchester Köln / Günter Wand
Ich hoffe, Sie bemerken, dass auch die Musik spricht und sich erklärt, wenn man vorbereitet ist, - dass man also nicht alles verbalisieren muss.
Über solche Passagen bei Schubert könnte man nämlich stundenlang reden. "Flussbetten" hat es Peter Gülke genannt, man könnte auch von der Idee des Wanderns sprechen, die bei Schubert alles andere meint als einen Spaziergang, zuweilen ist es das ziellose Wandern eines Verzweifelten, ein andermal ist es eher ein Tanz.
Kürzlich habe ich in einer Einführung in der Kölner Philharmonie noch frohgemut Adorno zitiert: der sprach nämlich von der Vision "einer befreiten Menschheit", und dieser Satz gleiche "einem Fest mit den bunten Wimpeln aller Völker", das weniger draußen hält als Beethovens Chor der Freude, "welcher die Vereinsamten verschmäht." (Adorno: Musiksoziologie S. 174)
Und er beschwor das schlagende "Prinzip der Symphonik, jene(r) Macht der Integration, die im Wiener Klassizismus die Menschheit meinte", und er setzte es ab von einigen späteren, national gestimmten Komponisten (er meinte Tschaikowsky und Dvorak), wo sich das Bewusstsein solcher Symphonik zersetzt und die Menschheit in eine potentiell feindselige Vielheit von Nationen zersplittert. Schubert also und das Fest der bunten Wimpel aller Völker! Und ist es nicht diese Idee, die uns in solchen Sendungen zu einem Fest der Völker und Kulturen beflügelt?!
Und was lese ich nun in der Berliner Morgenpost? Nikolaus Harnoncourt hat Schuberts "Große C-Dur" aufgeführt, der Kritiker hat ganz anderes herausgehört. Durchaus kein Fest und erst recht keine "Wanderung durch Österreichs Bergwelt zwischen Gmunden und Gastein" - wo die Sinfonie auch entstanden ist. Mitnichten, hier soll man im langsamen Satz "ein zackig-bitteres Lied von Söldnern gehört" haben, die "schreiten, schreiten, schreiten, durch den Tag, durch die Nacht, durch den Tag."
"Schubert stellt die Bläsergruppen auf wie Beethoven die zwei Orchester seiner Schlachtensymphonie op. 91. Es sind Armeen. Hier wird gemetzelt."
Wie bitte? Der Kritiker ist nicht irgendwer, ich habe gerade sein hochinteressantes Buch erstanden über "Kunst-Religion-Krise / Der Fall Brahms". Dieser Autor heißt Jan Brachmann. Und er schreibt weiter:
"Im Finale verlor schließlich noch das Seitenthema seine Unschuld."
- Das haben wir eben gehört, allerdings in der Interpretation mit Günter Wand. Kurz und gut: dieses Thema verlor seine Unschuld,
"als Harnoncourt dessen vier Schläge mit aller Brutalität in die Tiefe rammte. Ein Schock der Schlusston: Er setzte laut ein und verklang leise, wie vorgeschrieben. Die grauenvolle Gewalt hörte also nicht einfach auf - sie ging bloß weg. Was weggeht, kann aber wiederkommen. Es wäre nun unerträglich, dieses Stück wieder in einer zahmeren Interpretation zu hören, aber nach Harnoncourts Enthüllungen hätte man zu dieser Musik ohnehin gern eine Weile Abstand."
(Berliner Zeitung 25.03.06 S. 33 "Es gibt keine Berge mehr")
Da kann ich nicht zustimmen, Herr Brachmann, denn nach Günter Wands Interpretation wollte ich diese Sinfonie noch einmal hören, und nach Harnoncourts Interpretation erst recht, - trotz der vielen Gewalt.
Kann es sein, dass man mit Worten auch überinterpretiert???
25) Schubert / Harnoncourt Finale ab Takt 753 bis Ende / 10:41 bis Ende 3:58
Franz Schubert: 8. Sinfonie C-dur D 944 4. Satz Zweites Thema in der Reprise und Schluss
Royal Concertgebouw Orchestra / Nikolaus Harnoncourt TELDEC 4509-91184-2 (LC 6019)
So geht die die große C-dur-Sinfonie von Franz Schubert in der Interpretation von Nikolaus Harnoncourt zuende, es spielte das Royal Concertgebouw Orchestra. Hat er die "vier Schläge mit aller Brutalität in die Tiefe gerammt"? War der Schlusston ein Schock, wie der Berliner Kritiker schreibt?
Jeder kann sich mal in eine Idee verrennen, ich an erster Stelle, aber in diesem Satz höre ich vor allem die Grundidee namenloser Freude, und die will ich mir nicht nehmen lassen, auch wenn noch soviel Wildheit darin ist, - aber Gewalt? Nein.

Themenwechsel.


Wenn wir die Komposition "Mbira" von Kevin Volans für zwei Cembali und Rassel vergleichen mit dem Original, einem berühmten musikalischen Meisterwerk des Shona-Volkes in Zimbabwe, so können wir nicht sagen, dass Kevin Volans es geglättet und gezähmt hat. Er hat sich sogar der außerordentlichen Mühe unterzogen, die herrlichen altitalienischen Cembali auf die entsprechende afrikanische Stimmung zu bringen, - es dauert ein Weile, bis unser Ohr sie als angenehm empfindet.
Nur eines ist unmöglich geworden: mit diesen Instrumenten kann man nicht auf Wanderschaft gehen, wie der Shona-Musiker, der aus seiner Mbira beim Wandern von Ort zu Ort Kraft und Anregung schöpft.
26) Nyamaropa (=Orig.) Brenner CD 1 Tr. 10 (2:00)
CD aus Klaus-Peter Brenner "Chipendani und Mbira" Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1996
27) Mbira (Kevin Volans) Network Zimbabwe Tr. 10 (10:46)
"Mbira" (Kevin Volans)
Kevin Volans und Robert Hill, Cembali, Robyn Schulkowsky, Hosho (Rassel)
World Network "Zimbabwe" 52.990 (LC6759)
(Musik unter Text)
Im Gespräch kam es dann zu einem kleinen Eclat:
Es ging um die Stimmung, um das korrekte Einstimmen, allerdings bezogen auf Zulu-Gitarren: Kevin Volans hat leise Zweifel, ob Johnny Cleggs Gitarren-Stimmung nicht auch etwas "gereinigt" ist - oder sogar "totally unauthentic" - "total unauthentisch". Und bei den Musikern, die er getroffen habe, sei es manchmal nicht klar geworden: wollten Sie genau diese Stimmung oder waren es einfach schlechte Musiker.
Interview CD 2 ab ca. 31:00 bis 31:50
Johnny Clegg:
"Fine. I wanna compete to the world. You know I am a 'boo'(?). I wanna compete, I wanna..."

Kevin Volans:
[laughs] "...which makes in a sense and the stick music things you do... totally unauthentic. And that's the quality of the guitar music, the precision of your tuning. I recorded so many people who really basically didn't give a damn about the tuning. To the extent that one really has come to the conclusion that it was not important at all. I mean, somehow..."

Johnny Clegg:
"But then I met guys who did worry about that."(31:39)

Kevin Volans:
"Yea, and you don't know whether you have just got bad musicians or whether you got... or what it is! Or whether that really isn't important. I remember people who played sort of a tune on the lower (?) and a sort of a tune on the upper (?) but the two octaves were different."
(Musik wieder hoch)
Und wieder kommt Kevin Volans auf die Gitarren-Stimmung: die Rauigkeit des Tones sei verschwunden. "I disagree", sagt Johnny Clegg, ich bin völlig anderer Meinung, ich gebe dir mal 'ne Platte... Aber Volans meint doch nicht nur die Stimmung, sondern den ;Sound, es sei eben dieser klassische Gitarrensound, nicht der der Straßenmusiker. Johnny hält ihm vor, er romantisiere das alles, und Kevin Volans beschwichtigt: ich kritisiere ja nicht, ich frage nur!
Aber als er von seinen Begegnungen mit Straßenmusikern reden will, sagt Clegg: "das waren "Schitt-Musiker", ganz einfach!"
"Nein, sie waren phantastisch", hält Volans dagegen, "manche waren wohl etwas versoffen, aber andere waren sehr, sehr akkurat; rhythmisch waren sie absolut präzise, und sie konnten sehr, sehr schnell spielen!"
Zum Glück kam wieder ein Zug vorbei.
Interview CD 2 ab ca. 37:20 bis 41:00
Johnny Clegg:
[Zulu]

Kevin Volans:
"But then, that's what I was sort of saying about... In a sense what you've done with your guitar and with your tuning. It was really the sound of your guitars, it is so much smoother, you know, it's so much taken off all the roughness."

Johnny Clegg:
"I disagree, I give, you know if I had recordings done... [unclear] You buy a record."

Kevin Volans:
"But I mean not just the tuning, but I mean the sound of your guitar is, you're playing the guitar is just like no street musician could ever afford."

Johnny Clegg:
"Fine, you've..." [unclear]

Kevin Volans:
"Don't you think in a sense that is emasculating slightly, doing that really smooth, sort of slick sound... I mean it's a kind of a contradiction: You have this classic guitar sound and at the same time you put on a gravel voice when you sing."

Johnny Clegg:
"I don't... You see..."

Kevin Volans:
"I am not criticising, I'm just asking that's all."

Johnny Clegg:
"You romanticise this thing totally out of proportion. I've seen guys in the streets with Gibson guitars, man, hundreds of Rand... "

Kevin Volans:
"I don't think it was romanticising. It was what I heard what I've been faced with. You know, when I came..."

Johnny Clegg:
"You've been faced with shit musicians, that's all, as simple as that."

Kevin Volans:
"No, they were fantastic... I mean they were shit in some respect, but I mean, you know... the speed of their playing, their speed of their playing(?) was just tremendous. I mean the life of the playing... I mean I had some who ere just really drunk and stuff, just really awful." (ZUG!!!) "But I mean most of them were very, very accurate, no faltering or anything like that. The rhythmic was very precise... and some very, very fast playing. There is also this couple in Durban. The one who plays the violin, George Bangu, Msono Wansing... (?) [unclear] My problem was language..."

[recording interrupted for some seconds] [40:43]

Johnny Clegg:
"We are not going as a Zulu indigenous folk street music group anymore. We're going as Juluka . Two years ago we changed, we moved, we retained the structure, the musical structure, the forms of the thing, but we've changed. We are innovating as well, as far as we are concerened... Because Bangwe (?) Disbelini (?) has disappeared altogether...Pushed together." [laughs]

Kevin Volans:
"You can't help that laugh, right?"

[some exchange in Zulu, laughter.]

(Mbira-Musik der Cembali verschwindet, stattdessen Bach-Fantasie:)
28) J.S. Bach Fantasie a-moll (Andreas Staier) 7:01 bis 9:09 2:08
J.S. Bach Clavierfantasien Fantasie a-moll BWV 922 Andreas Staier, Cembalo
Deutsche Harmonia Mundi/WDR/BMG 05472 77306 2 (LC 0761)
29) Southafrica Duo Juluka Network Tr. 2 Umanqoba 3:08
Johnny Clegg & Sipho Mchunu Tr. 2 "Umanqoba" (trad./arr. Juluka)
Cologne Zulu Festival World Network 54.036 (LC6759)
Musikpassagen auf WDR 3, heute mit Jan Reichow.
Meine Damen und Herren, die Bach-Fantasie bzw. bzw. der Ausschnitt daraus mit Andreas Staier hatte keine äußere Beziehung zu Kevin Volans oder Johnny Clegg, es ist so ein eigensinniger rhythmischer Findling, der musste einfach an diese Stelle, schon um mich nicht schwermütig zu machen. Es bringt so viele Erinnerungen zurück, und merkwürdigerweise wieder im Frühling, vor Ostern!
Die "Mbira"-Aufnahme mit den 2 Cembali und viele kleinere Aufnahmen, die zu einer ausführlichen Einführungssendung in die wunderbare Welt des Mbira-Spiels gehören sollten, eine kaleidophone Klangwelt, so genannt nach dem Prinzip des Kaleidoskops, - ein derart neues Musikdenken, wenn man das zum erstenmal erlebt, glaubt man ja, in eine neue Lebensphase zu treten. Und drei Jahre vorher dieses Zulu-Festival, - womöglich ist mir die Schönheit dieser Gitarren- und Concertina-Lieder erst nachträglich richtig aufgegangen ist. Ich musste ja auch lernen, die verschiedensten Phänomene nicht in ihren Parallelwelten zu belassen, sondern sie aufeinander zu beziehen und ihnen in ein und demselben Kopf eine Wohnung zuzugestehen.

Die beiden Cembali boten die bestmögliche Brücke, Kevin Volans spielte das eine, Robert Hill das andere, Robyn Schulkowsky die Rassel.
Ansonsten war das ja, wie jedes Jahr vor Ostern, die Zeit, wo man als Musiker in irgendeiner Weise mit Bach-Passionen beschäftigt ist; wunderbarerweise fällt auch die heutige Sendung auf den Donnerstag vor Ostern, und wie der Zufall so spielt, gibt sie jetzt Gelegenheit, einen großen Chor aus Bachs Matthäuspassion zu spielen:
Meine Damen und Herren, Sie sind darauf vorbereitet, die Choralzeilen als solche wahrzunehmen; an einzelnen Stationen zu verweilen, aber auch das hartnäckig durchgehende Sechzehntel-Motiv im Orchester ein bisschen afrikanisch zu hören, obwohl es nichts als Schluchzen und Seufzen bedeutet. Diese Bewegungsform allerdings gibt es in Afrika nicht, und vielleicht würden auch wir von einer allzu beschwerlichen Prozession sprechen, wenn sie nicht von einer so unerhörten Schönheit wäre.
"O Mensch, bewein dein Sünde groß."

30) Bach: Chor "O Mensch, bewein dein Sünde groß" 6:01
Johann Sebastian Bach: Matthäus-Passion BWV 244 Ende des ersten Teils, Chor: "O Mensch, bewein dein Sünde groß"
De Nederlandse Bachvereniging, Sacramentskoor Breda, The Amsterdam Baroque Orchestra Leitung Ton Koopman (1993)
ERATO 2292-45814-2 (LC0200)
Johann Sebastian Bach: Matthäuspassion. "O Mensch, bewein dein Sünde groß." Ton Koopman leitete De Nederlandse Bachvereniging und The Amsterdam Baroque Orchestra. Wenn Sie das vertiefen wollen, - nicht vergessen: morgen, Karfreitag, zur besten Musikpassagen-Zeit und 1 Stunde darüber hinaus: die Matthäus-Passion von Johann Sebastian Bach, in der Aufnahme mit dem Arnold-Schönberg-Chor und dem Concentus musicus Wien unter Nikolaus Harnoncourt. Und genau dieser Chor "O Mensch bewein dein Sünde groß" wird bald nach 16 Uhr zu hören sein. Und da nun wieder Frühling ist und die Vögel allenthalben freiwillig singen, kann ich Ihnen auch sagen, was aus dem Distelfink geworden ist, von dem Kevin Volans sich im Interview nicht beirren ließ, wofür ich ihm heute noch dankbar bin. Denn auf diese Weise ist uns ein tönendes Andenken geblieben, - lautstark wie er war, hätten wir ihn ja auch vorübergehend ins Haus bringen können. Distelfink habe ich gesagt, man nennt ihn auch Stieglitz, aber genau genommen war es ja eine Mischung aus Distelfink und Kanarienvogel, und er vereinigte die Qualitäten beider Vorfahren. Das hörte leider auch die junge Katze der Nachbarin. Sie kam über das durchgehende Balkongeländer, also die Katze, nicht die Nachbarin, - und der Käfig hing ausnahmsweise nicht an der Wand, sondern stand auf dem Tisch. Die schlaue Katze muss ihn heruntergestoßen haben, wobei sich das Badegefäß löste, so dass der Zugang frei war: das ist eine Rekonstruktion, aber den schönen Federn nach, die am Boden zurückgeblieben waren, konnte es sich nur um ein gewaltsames Ende gehandelt haben.

Vogelstimmen beginnen

Auch unsere Sendung geht zuende: ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit, und wenn Sie wissen wollen, was aus Johnny Clegg geworden ist: er hat ja danach eine erfolgreiche Karriere als Rockmusiker begonnen, alle Stationen sind auf seiner Web-Seite nachzulesen. Und Kevin Volans gehört inzwischen zu den erfolgreichsten Komponisten der Neuen Musik. Sipho Mchunu ist in seine Heimat zurückgekehrt, Ladysmith Black Mambazo macht nach wie vor erfolgreiche Tourneen. Alle Webseiten-Angaben bekommen Sie über unserer Hörertelefon, notfalls auch über meine eigene Webseite. Das Hörertelefon gibt Anregungen, Lob und Kritik an uns weiter, wir interessieren uns sehr dafür.
Für Anregung und Mithilfe bei dieser Sendung danke ich Jenny Fuhr (Niederschrift des 2stündigen Volans-Clegg-Interviews).
Für die Technik sorgte Alexander Hardt (Studio Rheinklang Köln).
Eine Musikliste wird gerade von unserer Produktionsassistentin Sarah Brasack zusammengestellt.
Am Mikrofon verabschiedet sich J.R. (Wortende bei 111:30)
(Vogelstimmen hoch, eine Hummel umfliegt das Mikro)
31) Morgenstimmung The Sound of Nature Tr. 27 und 28 (2:00)
Naturaufnahme von Walter Tilgner im Naturschutzpark Neusiedler See - Seewinkel
WERGO Spectrum SM 9008-2/289008-2 (LC 0846)




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