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Schubert und die Romantik des Fremden
Von österreichischen, ungarischen, schwedischen Farben,
romantischen Sehnsüchten und ethnischen Fragwürdigkeiten
Ein Vortrag von Jan Reichow

Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald
Donnerstag, 10. Juli 2008, 19:30 Uhr

Es ist tatsächlich genau 200 Jahre her, 1808, - der kleine Franz Peter Seraph Schubert war gerade 11 Jahre alt -, da begab sich Professor Lorenz Leopold Haschka von Zeit zu Zeit in die Wiener Universität: nicht um Ästhetikvorlesungen zu halten, wie sonst am Theresianum, nein, um zuzuhören. Er war ein bekannter Mann, vor gut 10 Jahren hatte man erfolgreich sein neues patriotisches Gedicht aus der Taufe gehoben, "Gott erhalte Franz den Kaiser". Die Volkshymne zu Kaisers Geburtstag, mit der Melodie von Joseph Haydn.
Jetzt aber war er von dem noch berühmteren August Wilhelm Schlegel persönlich zu dessen literarischer Vorlesungsreihe gebeten worden. Man kann sich die Situation so ähnlich wie hier vorstellen, abgesehen vom Referenten, der sich nicht mit den genannten Herren messen kann, aber wenn man aufs Publikum sieht, - wer weiß? Hören Sie nur Professor Haschkas Bericht:

Zitat:

"Schlegel las hier Kollegien über Dramatische Kunst und Literatur an der Wiener Universität. Er lud mich dazu mit einem gewissen Eifer ein, der mir wohlgefiel... Ich zahlte meine 25 fl(orin) und kam, sooft ich konnte. Seine Vorlesungen werden gedruckt. Er hat bei zweihundert, im eigentlichen Verstande auserwählte Zuhörer, Fürsten, Grafen und Herren, Gelehrte und Künstler und ebenso die Frauen dieser Klasse; Mädchen waren nur wenige, und diese Fremde. Es war eine Stille, eine Aufmerksamkeit, ein Interesse, die den Sprecher sowohl als den Zuhörer ehrte. Man klatschte ihm öfter Beifall zu. Vorzüglich und selbst über meine Erwartung gut benahmen sich die Frauen. Die Fürstinnen sowohl als auch die anderen Edelfrauen waren gewöhnlich um zwölf Uhr da, sie kamen in einem anständigen Anzuge, so ohne alle Prätension, ohne alle Koketterie, betrugen sich so ruhig, so bescheiden, so artig, daß kein Prediger in der Kirche sie sich anders wünschen könnte. Die Damen nahmen die ersten Stühle ein; die Männer saßen mehr zurücke oder standen in der Mitte. Der gute Schlegel war äußerst frappiert. So was hatte er nie erlebt..."

(Nach Gülke S.11f)
Ob sie wussten, dass dieser August Wilhelm Schlegel - gemeinsam mit seinem Bruder Friedrich Schlegel - gewissermaßen der Erfinder der deutschen Romantik gewesen war und sie nun auf den Punkt brachte? Sein Punkt war - das Christentum. Rudolf Krämer-Badoni hat es folgendermaßen zusammengefasst.

Zitat:

"In einer Vision, die jedem der (dreihundert) Wiener Zuhörer leicht eingehen mußte, legte Schlegel den Unterschied zwischen Klassisch und Romantisch dar. Daß die Alten [also: die alten Griechen] in ihrer 'sinnlichen Religion' selbstgenügsam und von natürlicher Harmonie waren und daß ihre Kunstwerke 'ursprüngliche bewußtlose Einheit der Form und des Stoffes' aufwiesen, das bedurfte nach Winckelmann, Herder, Goethe keiner langen Beweise. Aber was war eigentlich an dem schillernden Wort 'Romantik'? Schlegels Erklärung ist einleuchtend, so einleuchtend, daß sie fast banal klingt: das Christentum hat die Sehnsucht, ja, die Gewißheit des Unendlichen gebracht. Der Christ lebt zwischen Erinnerung und Ahnung. Die Gegenwart ist kein gelassener, unbewußter Besitz mehr. Der Mensch ist gespalten in Natur und Übernatur. Er 'sehnt' sich - das ist ein Lebensgefühl, das die Alten nicht kannten. Es ist das moderne Lebensgefühl schlechthin. Die Poesie wird zum säkularisierten Christentum."

(Krämer-Badoni S.166 f)
1) Musik "O wie schön ist deine Welt, Vater, wenn sie golden strahlet!" 0:29
Franz Schubert: "Abendbilder" Christian Gerhaher, Bariton; Gerold Huber, Klavier.
RCA 8287 677716 2 (Sony BMG)
"Die Poesie wird zum säkularisierten Christentum." Auch Rüdiger Safranski kommt in seinem Romantik-Buch darauf zu sprechen:
Zitat:

"Die beste Definition des Romantischen ist immer noch die von Novalis: Indem ich dem Gemeinen einen hohen Sinn, dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehn, dem Bekannten die Würde des Unbekannten, dem Endlichen einen unendlichen Schein gebe, so romantisiere ich es.
In dieser Formulierung merkt man, daß die Romantik eine untergründige Beziehung zur Religion unterhält. Sie gehört zu den seit zweihundert Jahren nicht abreißenden Suchbewegungen, die der entzauberten Welt der Säkularisierung etwas entgegensetzen wollen. Romantik ist neben vielem, was sie sonst noch ist, auch eine Fortsetzung der Religion mit anderen Mitteln. Das hat ihr die Kraft zur beispiellosen Rangerhöhung des Imaginären gegeben. Die Romantik triumphiert über das Realitätsprinzip. Gut für die Poesie, schlecht für die Politik, falls sich die Romantik ins Politische verirrt."

(Safranski S.13)
"...indem ich dem Gewöhnlichen ein geheimnisvolles Ansehn gebe..., dem Endlichen einen unendlichen Schein..." - meine Damen und Herren, schauen Sie doch bitte aus dem Fenster, stellen Sie sich vor, es ist taghelle Nacht. Sehen Sie die Häuser dort, (die Mauern des Greifwalder Doms), - ist es nicht, als schauten sie alle verwundert drein? Vom Mondlicht silbern übergossen? Oder befindet sich all dies "nur" in Ihrem Herzen? Hineingenommen oder eher nach außen projiziert?
Zitat:

Die Nacht ist heiter und ist rein, im allerhellsten Glanz,
die Häuser schaun verwundert drein, stehn übersilbert ganz,
in mir ist's hell und wunderbar, so voll und übervoll,
und waltet drinnen frei und klar, ganz ohne Leid und Groll.


(Text: Johann Gabriel Seidl)
2) Musik: "Nachthelle" 1.Teil 0:00 bis 1:52
Franz Schubert: Lieder und mehrstimmige Gesänge
Carus-Quintett / Bayer Records BR 100288 (LC 8498)
Auf der einen Seite die Außenwelt, das Unendliche, auf der andern Seite das Innere, das Ich. Oder ist beides Eins?
Es war die Zeit um Schuberts Geburtsjahr 1797 herum, als eine neue Generation neue Fragen stellte.
Der Philosoph Johann Gottlieb Fichte war schon ein berühmter Mann, als er 1794 nach Jena kamen, und die Stadt war ein geistiges Kraftzentrum sondergleichen: Hölderlin, Hegel und Schelling sitzen beisammen und entwickeln sozusagen eine neue Mythologie, die man 'machen' müsse (Safranski S.81).
August Wilhelm Schlegel lehrt Literatur an der Universität, Ludwig Tieck ist da, Novalis kommt öfters von Weißenfels herüber, die Olympier Schiller und Goethe sind nahe, - aber Gottseidank auch nicht allzu präsent bei diesen jungen Feuerköpfen.

All diese Geister - so schreibt Tieck rückblickend in Schuberts Todesjahr 1828 - "bildeten gleichsam ununterbrochen ein Fest von Witz, Laune und Philosophie." (Safranski S.85)
Fichte aber, der in Jena 5 Jahre lang lehrte, er war es, der unter seinen Hörern - so sagt es Safranski - die geradezu unbezwingliche Lust verbreitete, "ein Ich zu sein" (Safranski S.81).
Man darf sich das nicht so vorstellen, wie es zuweilen geschehen ist, als habe er geglaubt, alles sei Ich, alles Äußere sei im Ich enthalten, als sei dies wie ein Gegenstand zu greifen. Er war weder ein Simplifizierer noch ein weltferner Spinner.

Zitat:

"Immer wieder betont er: Alles ist in Bewegung und lebt, wir denken es, mehr noch, wir spüren es in unserer eigenen Lebendigkeit. Die Welt hebt an mit einem Tun, und mit einem Tun hebt auch an, was wir Ich nennen. Fichte würde sagen: Ich bringe mich als Ich hervor, darum bin ich.
Monströs müssen diese Überlegungen wirken, wenn sie so aufgefaßt werden, als würde hiermit eine Außenwelt geleugnet und ein absoluter Solipsismus behauptet. Das aber ist bei Fichte nicht der Fall. Er zieht nur aus dem Grundsatz, daß wir die Außenwelt zunächst einmal nur als unsere Innenwelt haben, radikale Konsequenzen, zum Beispiel die, daß erst in dem Augenblick, da sich das Ich ergreift, sein Gegensatz, das Nicht-Ich, auftaucht. (...)
Für Fichte kommt alles darauf an, den Sinn zu schärfen für den Ich-Anteil, das heißt für die eigene Aktivität bei der Weltbildung. Die Welt ist nicht etwas, das uns nur von außen gegenübersteht, sie ist kein fertiger Gegenstand, sondern vom Ich durchtränkt.

(Safranski S.76)
Schreibt Rüdiger Safranski in seinem Romantik-Buch. Und wir erinnern uns...:
Zitat:

Die Häuser schaun verwundert drein, stehn übersilbert ganz.
In mir ist's hell und wunderbar, so voll und übervoll,
und waltet drinnen frei und klar, ganz ohne Leid und Groll.

Ich fass' in meinem Herzenshaus nicht all das reiche Licht,
es will hinaus, es muss hinaus, die letzte Schranke bricht.


(Text: Johann Gabriel Seidl)
3) Musik "Nachthelle" (2.Teil) ab 0:55 bis Ende 4:25
Franz Schubert: Lieder und mehrstimmige Gesänge
Carus-Quintett / Bayer Records BR 100288 (LC 8498)
Das ist das Ich mit seiner ekstatischen, alle Grenzen sprengenden Kraft; und doch bleibt es natürlich im Banne des banalen irdischen Realitätsprinzips, des Maschinenwesens, der Arbeitsteilung und der allmählichen Entfremdung von all dem, was uns am nächsten liegt. Eine Spannung, die nie zuvor so ins Bewusstsein getreten ist.

Gerade weil das Ich im Denken der Romantik ein ungeheures Gewicht erhält und zugleich eine zum Unendlichen tendierende Ausdehnung, wird es schier unmöglich, diese Last - einem Atlas gleich - zu tragen oder gar, sagen wir: seelisch auszufüllen. Denn das, was die Seele so übergroß macht, entwurzelt sie auch, entmächtigt sie, verwandelt sie in ein Phantom. Ein Riss geht durch die Welt.

Der Prototyp dessen, der das Ganze noch in den Griff zu bekommen trachtet, der dem Schicksal in den Rachen greift, der als Individuum zur Menschheit spricht, der sich einst anheischig gemacht hatte, mit einem überdimensionalen Zeitgenossen wie Napoleon auf gleicher Ebene zu hadern: Das ist Beethoven.
Seine Insignien sind unverkennbar die des Leidens, des Aufbegehrens, und des tatenmächtigen Trotzes.

Maestoso!
4) Musik Beethoven op. 111 Takt 1-4 0:23
CD Beethoven Die späten Klaviersonaten mit Maurizio Pollini
Deutsche Grammophon 449 742-2 (LC 0173) Aufnahme 1976
So beginnt Beethovens letzte Klaviersonate. Dann ballt er den Schlag zu einem Kampfmotiv, das den ersten Satz der Sonate op. 111 beherrscht:
5) Musik Beethoven op. 111 ab Themenansatz 0:12
CD Beethoven Die späten Klaviersonaten mit Maurizio Pollini
Deutsche Grammophon 449 742-2 (LC 0173) Aufnahme 1976
Schubert deutet dieses wandlungsfähige Motiv um in einen Verzweiflungsschrei, - im Jahr nach Beethovens Tod, es ist das letzte Jahr, das ihm selbst noch bleibt, und es umfasst "eine ganze Welt der Schmerzen". "Ich unglückseliger Atlas", so heißt es im Lied, muss sie tragen: Es bleibt ungewiss, ob er den Titanen Atlas oder Beethoven meint oder sich selbst, - mit diesen Worten von Heinrich Heine und mit Beethovens Motiv im Bass des Klaviers.
6) Musik Schubert Tr. 23: "Der Atlas " 1:58
Schubert / Schumann / Mendelssohn Bartholdy / Lieder nach Gedichten von Heinrich Heine
Christoph Prégardien, Tenor; Andreas Staier, Fortepiano
deutsche hamonia mundi 05472 77319 2 (LC 0761)
Zitat:

Heinrich Heine:

"Ach, teurer Leser, wenn du über jene Zerrissenheit klagen willst, so beklage lieber, daß die Welt selbst mitten entzwei gerissen ist. Denn da das Herz des Dichters der Mittelpunkt der Welt ist, so muß es wohl in der jetzigen Zeit jämmerlich zerrissen werden. Wer von seinem Herzen rühmt, es sei ganz geblieben, der gesteht nur, daß er ein prosaisches, weitabgelegenes Winkelherz hat. Durch das meinige ging aber der große Weltriß, und eben deswegen weiß ich, daß die großen Götter mich vor vielen anderen hoch begnadigt und des Dichtermärtyrertums würdig geachtet haben."

(Heine, nach Gülke S. 242)
[Aus: Heinrich Heine, Reisebilder. Dritter Teil. Die Bäder von Lucca.. In: Sämtliche Schriften in sechs Bänden. Bd.2. Hrsg. von Klaus Briegleb. München 1968-1976, 405.]
Was Heinrich Heine hier als großen Weltriss bezeichnet, ist tatsächlich ein verbreitetes Lebensgefühl, das nach den Jahrzehnten der Aufklärung und der Revolution für einen abendländischen Katzenjammer sorgte: die Entzauberung der Welt, die Öffnung einer Büchse der Pandora in Gestalt des naturwissen-schaftlich-technologischen Denkens, die endgültige Abtrennung, Teilung und Objektivierung der Natur, die Entfremdung des Menschen von dem, was er für sein Wesen hielt. Es passte alles in fataler Weise zusammen.
Heine war ein Emigrant aus Deutschland und lebte in Paris, aber die repressiven politischen Verhältnisse in Deutschland und Österreich trugen einen entscheidenden Teil zum Weltgefühl der meisten Künstler bei, die sich notgedrungen weiterhin in Naturbildern aussprachen und dabei zuweilen auch die Illusion nährten, die "holde Kunst" könne eine ideale Gegenwelt schaffen.
Beethoven und Schubert erlebten in ihrem letzten Lebensjahrzehnt den Staat Metternichs, der eindeutig ein Polizeistaat war, und sie selbst standen durchaus unter Verdacht; nur die zweifache sprachliche Verschlüsselung ihrer Musik schützte sie. Schuberts Freundeskreis war ein Dissidentenkreis. Sie fühlten sich alle fremd im eigenen Land und in der Welt. Das wirklich Fremde aber begann eine eigene Anziehungskraft auszustrahlen.
Es wäre gewiss falsch, von allgemeiner Weltflucht zu reden, aber man errät leicht, dass es kein Zufall war, dass gerade in dieser Zeit, genauer: im Jahre 1818, in der neugegründeten Universität Bonn, die Geburtsstunde der wissenschaftlichen Indologie schlug. Bonn sollte alsbald den Ehrentitel "Benares am Rhein" erhalten. Und der Begründer des Fachs und erster Lehrstuhlinhaber war niemand anders als August Wilhelm Schlegel, dem wir zu Beginn dieses Vortrags in Wien begegnet sind, gerade in jenem Jahr 1808, als auch sein Bruder Friedrich Schlegel Aufsehen erregt hatte mit dem Buch: "Über die Sprache und Weisheit der Indier" (1808).

Angefangen hatte die Indien-Begeisterung in Deutschland mit der deutschen Übersetzung des Sakuntala-Dramas von Kalidasa, [den man den indischen Homer nannte], veröffentlicht am 17. Mai 1791 durch Georg Forster, den Naturforscher, der schon in den 70er Jahren mit seinem Vater an der Weltumseglung des James Cook teilgenommen hatte. In London aber lernte er die englische Übersetzung des altindischen Werkes kennen, die von Sir William Jones stammte, und er war hingerissen. Seine Begeisterung wirkte fort, Herder, Goethe, Schiller jubelten. War Europa womöglich damals schon auf dem Weg, ethnische und kulturelle Grenzen zu überschreiten?
Die Wahrnehmung der Musik wäre eine untrüglicher Gradmesser, alles andere ist umdeutbar, vor allem das Medium Wort, das eine form- und dehnbare, veränderliche und umdeutbare Bilderwelt heraufruft.

Zitat:

"Dieser Tag des Jahres 1791 war ein Maientag der deutschen Literatur. Der Blick, bislang auf die Antike gerichtet, erweiterte sich plötzlich. Neue Horizonte wurden sichtbar. Eine Welle der Zuneigung und begeisterten Huldigung für die zarte Gestalt aus dem altindischen Dichterhain wurde spürbar. Der revolutionäre Weltreisende, der auf dem Gebiet der Geographie und Naturwissenschaft Großes vollbringen wollte, hatte ein Tor aufgestoßen, das den Blick auf noch Unbekanntes freigab. Die von romantischer Sehnsucht getragene Frühzeit der deutschen Indologie, die mehr dichterische als wissenschaftliche Sehnsucht, das Land an Indus und Ganges dem Weltbild der deutschen Geistessphäre einzuordnen, wird verständlich."

(Walter Leifer S. 100)
Der vorhin erwähnte Sir William Jones war auch der Verfasser eines Werkes über die indische Musik, dessen Kenntnisstand für das ganze 19. Jahrhundert massgeblich blieb. Die deutsche Übersetzung von Johann Friedrich Dalberg erschien mit bemerkenswerten Erweiterungen im Jahre 1802 und war Joseph Haydn gewidmet.
Dem Werk des englischen Vorbilds war übrigens auch eine Melodiensammlung beigegeben, - der Verfasser hatte immerhin die letzten 10 Jahre seines Lebens in Kalkutta verbracht und auch originale Gesänge gehört. Sie zu verschriftlichen war ein erstaunliches Unterfangen, bezeichnend allerdings auch, wie er es in dieser Zeit realisierte: er half einer Dame, die im Rahmen musikalischer Gesellschaften britischer Einwohner in Kalkutta hindustanische Lieder sang, bei der Sammlung und Notation dieser Melodien. Wie mag das wohl geklungen haben?
Es ist eine Ausgabe für Cembalo überliefert, 1789 von einem professionellen Musiker (William Hamilton Bird) in Kalkutta veröffentlicht, lauter Melodien in Dur und Moll, mit einer zierlichen harmonischen Begleitung versehen, - es ist aber auch nichts Indisches daran, abgesehen von den Titeln. Ein Dokument der unschöpferischen Umdeutung. Mit welchen Mitteln hätte man auch melodische Gestalten erfassen können wie die folgenden?
7) Musik Sobha Gurtu Tr. 4 Raga Basant 2:25
"Phagua Brij Dekkan Ko Chali Ri" (trad./ohne)
Sobha Gurtu, Voice; Sultan Khan, Sarangi; Nizamuddin Khan, Tabla
CMP Records 3004 (LC 6055)
Stellen Sie sich eine Dame der feinen englischen Kolonial-Gesellschaft vor, die versucht, etwas konkret Verwertbares aus diesen Melodiegängen herauszulösen, um es als hindustanisches Lied vorzutragen. In einer ordentlichen Tonart, mit einem klaren Takt. Und verzichten möchte sie natürlich auf die vulgäre Trommel und die singende Säge, genannt "Sarangi", stattdessen muss eine gehörige Cembalo-Begleitung her...
Von Herzen sollte es zu Herzen gehen. Fremdheit befremdet und geht nicht zu Herzen. Und damit tun wir der Sache doch keinen Dienst, nicht wahr?

Szenenwechsel.

Als Franz Schubert um 1820 die Arbeit an einer großen romantischen Oper über den indischen Sakontala-Stoff begann - sie ist Fragment geblieben -, dachte er keinen Moment daran, ihr ein orientalisch-musikalisches Kolorit zu geben, - woher hätte er es auch nehmen sollten?
Eine Melodie ist allerdings schon da, sie kehrt später verwandelt in der "Winterreise" zurück, als Krähe, als ein Emblem der Einsamkeit.
8) Musik "Die Krähe" aus der "Winterreise" (Klaviereinleitung und erste Zeile) 0:39
Franz Schubert: "Die Winterreise" D.911
Olaf Bär, Bariton; Geoffrey Parsons, Klavier
EMI Records CDC 7 49334 2 (LC 0110)
In dem Sakontala-Fragment, 8 Jahre vorher, gehörte die Melodie noch zu dem armen Fischer, der im Bauch seines Fanges einen Ring gefunden hat und nun des Diebstahls verdächtig ist.
9) Musik "Sakontala" CD II Tr. 1 "Ich bin ein armer Fischer" 0:53
Franz Schubert: Sakontala / Version Karl Aage Rasmussen
Kammerchor Stuttgart, Deutsche Kammerphilharmonie Bremen,
Nold, Havár, Loges, Jarnot, Snell; Leitung Frieder Bernius
SWR Carus 83.218 (LC 3989)
Die allgemeine Indien-Begeisterung der deutschen Dichter und Denker um 1800 entzündete sich an Kalidasa und an seiner Mädchengestalt Sakontala (oder Shakuntala), sie wurde in einem Atemzug genannt mit der Nausikaa in Homers Odyssee, und schien alle kulturellen Distanzen mit einem Schlag gegenstandslos zu machen. Johann Gottfried Herder pries ihre Heimat mit folgenden Worten:
Zitat:

Wo Sakontala lebt mit ihrem entschwundenen Knaben,
Wo Duschmanta sie neu, neu von den Göttern empfängt,
Sei mir gegrüßt, o heiliges Land, und du, Führer der Töne,
Stimme des Herzens, erheb oft mich im Äther dahin.


(Leifer S. 97)
Wir wissen nicht, weshalb sich Herder der Stimme des Herzens, des Führers der Töne, so sicher sein konnte. Man glaubte damals, dass die Musik erst recht von Herz zu Herzen spreche, wenn schon Worte und Dramengestalten einen Zauber ausübten, der jeden Gedanken an mögliche Missdeutungen ausschaltete.
Man konnte sich einfach nicht vorstellen, dass die Musik einen ähnlichen Reflex auslösen könnte wie die indischen Skulpturen. Goethe war ein Sakuntala-Enthusiast und Kalidasa-Verehrer der ersten Stunde, aber die indischen Götterfiguren, diese Monstren, die in Stein gehauen daherkamen, - nicht in anmutiger Mädchengestalt und in ein Sprachgewand gehüllt, - das war nicht seine Welt:
Zitat:

Und so will ich, ein für allemal,
Keine Bestien in dem Göttersaal!
Die leidigen Elefantenrüssel,
Das umschlungene Schlangenüssel,
Tief Urschildkröt'im Weltensumpf,
Viel Königsköpf' auf einem Rumpf,
Die müssen uns zur Verzweiflung bringen,
Wird sie nicht reiner Ost verschlingen?

Der Ost hat sie schon längst verschlungen:
Kalidas' und andre sind durchgedrungen;
Sie haben mit Dichterzierlichkeit
Von Pfaffen und Fratzen uns befreit.

In Indien möcht' ich selber leben,
Hätt' es nur keine Steinhauer gegeben.
Was will man denn vergnüglicher wissen!
Sakontala, Nala, die muß man küssen;
Und Megha-Duta, den Wolkengesandten,
Wer schickt ihn nicht gerne zu Seelenverwandten!...


(nach Leifer S. 191)
10) Musik Hindu-Tempelmusik ab 11:59 1:10
Eigenaufnahme JR Sri Lanka 1979
Feinsinnig und meditativ klingt es nun mal nicht im hinduistischen Tempel, und diese Fanfaren hätten Goethe nicht minder befremdet als die in Stein gehauenen Götterfiguren.
Dergleichen ist also nicht gemeint, auch später nicht, wenn Eichendorff und Schumann von der "Schönen Fremde" singen und wenn sie die Ferne "von künftigem, großen Glück" reden lassen, - sie sagen es selbst: es ist, als machten "um die halbversunkenen Mauern die alten Götter die Rund".
Und als Hector Berlioz, der allem Unbekannten aufgeschlossene, revolutionäre Geist, viel später den wirklich alten Göttern in leibhaftiger musikalischer Gestalt begegnet, ob nun chinesisch oder indisch, wendete er sich ab mit Grausen:
Zitat:

"Das (groteske und durchweg erbärmliche) Lied endete auf der Tonika so wie die gewöhnlichste unserer Romanzen und wich im Verlauf des Stückes weder von der einmal fixierten Klangfarbe noch von der von Anfang an beibehaltenen Tonart ab. Die Begleitung bestand in einem ziemlich lebhaften und stets gleichbleibenden rhythmischen Schema, das auf der Mandoline gespielt wurde und mit den Tönen der Gesangsstimme nur eine mangelhafte Übereinstimmung aufwies... Die Chinesen und die Inder würden eine der unseren ähnliche Musik haben, wenn sie überhaupt eine besäßen, aber diesbezüglich stecken sie noch in der tiefsten Finsternis der Barbarei und sind in einer geradezu kindlichen Unwissenheit befangen, in der sich kaum vage Ansätze zu einem eigenen Gestaltungswillen entdecken lassen; außerdem sprechen die Orientalen von Musik da, wo wir höchstens von Katzenmusik sprechen, und für sie - genau wie für die Hexen in Macbeth - ist das Scheußliche das Schöne."
"Die Chinesen singen so, wie die Hunde bellen, so, wie die Katzen eine verschluckte Gräte auswürgen."

(Berlioz "Les soirées de l'Orchestre" zit. nach Daniélou S. 34)
Der aktuelle Anlass, über den Berlioz nach seinem Besuch der Londoner Weltausstellung von 1851 berichtete, war zwar ein chinesisches Lied, aber es gibt keinen Grund anzunehmen, dass ein indisches mehr Gnade gefunden hätte.
Der Exotismus hat sich ein eigenes Bild von der Fremde gemacht, und erst eine weitere Generation später, mit Debussy und Ravel, hinterlässt die reale fremde Musik tiefe Spuren, wieder auf einer Weltausstellung, nämlich 1889 in Paris. Und Béla Bartók, der Vater einer sorgfältigen Musikethnologie, gehörte zur gleichen Generation.

Dabei hatte sich schon bei Schubert ein neuer Geist geregt, der die Grundfesten der abendländischen Vernunft erschütterte: man könnte dafür das allzuoft bemühte Schumann-Wort von der "himmlischen Länge" heranziehen. Aber wie oft ist es mir in indischen Konzerten in den Sinn gekommen, wenn die wirbelnden rhythmischen Zyklen der Tabla-Trommel gewissermaßen das Unendliche anpeilten, und die Melodie vom springlebendigen Untergrund fortgetragen wurde, ein seltsames, nicht enden wollendes kontrapunktisches Wechselspiel.

11) Musik Indischer Rhythmus Tr. 3 ab 7:53 3:25
Tabla & Sarangi Virtuoso Zakir Hussain, Tabla; Sultan Khan, Sarangi
Chhanda Dhara (Stuttgart) SNCD 70495
Der Dirigent und Musikwissenschaftler Peter Gülke hat im Fall Schubert das einprägsame Wort "Flußbett" eingeführt: Da wird "gesungen, nahezu so, als kehre der Gesang dem Zusammenhang den Rücken, als wolle er nur noch bei sich, in sich verweilen, die Musik hat (...) ihre 'Strömung' gefunden, gleichmäßige 'Einheitsabläufe' tragen die Melodie und schirmen sie ab (...)".
Es geht um die Möglichkeit, "weiterreichende Kontinuität zu schaffen."
Zitat:

"Ohne 'Flußbett' (...) strandet diese Musik, bricht ihr Beziehungsgefüge, zumindest im klassischen Verständnis, zusammen." (Gülke S. 288).
Gülke bezieht sich hier auf bestimmte Partien des Streichquintetts C-dur, aber es ist wohl gestattet, den gleichen Vorgang in vielen Schubertwerken wahrzunehmen. Noch einmal Gülke:
Zitat:

"Im Verweilen bei sich selbst, sei es punktuell oder in einer virtuellen Unendlichkeit des Singens, [um Goethe zu zitieren] im 'Lied ... drehend wie das Sterngewölbe, / Anfang und Ende immerfort dasselbe' trifft sich die miniaturistische Intention mit derjenigen der 'himmlischen Länge' auch darin, daß der Prozeß der Hervorbringung und das Hervorgebrachte als ein und dasselbe erscheinen und die Aufmerksamkeit bei sich festhalten."

(Gülke a.a.O. 288 f)
12) Musik Ali Brothers (Pakistan) Tr. 3 Übergang in Gat 1:11
Thumri in Raga Pahadi (trad./ohne)
Nazakat & Salamat Ali Khan
World Network 55.837 (LC6759)
Im Zauberkreis der indischen Musik ist der Zusammenhalt gesichert, sobald der Rhythmus einsetzt, die melodische Konsistenz wird zudem durch das modale Prinzip der Raga-Entwicklung in den Umrissen vollständig vorgezeichnet : bei Schubert sind es schwimmende Inseln, die sich minutenlang der logisch begründeten motivisch-thematischen Arbeit entziehen und sich scheinbar willenlos dem Strom der Modulation überlassen.
13) Musik Schubertsches "Flussbett" C-dur-Sinfonie Finale (Ausschnitt) 0:55
Franz Schubert: Sinfonie C-dur D. 944
Kölner Rundfunk Sinfonieorchester Günter Wand
RCA Red S. (Sony BMG) 09026639402
Zweimal hat Schubert einige Wochen im nahen Ausland gelebt, ohne dass er es als Ausland erlebt haben dürfte: als Hauslehrer der Töchter des Grafen Esterházy in Zsélis, das damals ungarische Städtchen liegt heute in der Slowakei. Die Kraft der autochthonen Volksmusik muss überall zu spüren gewesen sein. Und man könnte meinen, in seinem Divertissement hongroise rege sich tatsächlich eine verwandte Seele.
14 a) Musik Schubert: "Divertissement à l'hongroise" D 818 Tr. 4 0:40
Franz Schubert: Piano Music for four hands
Duo Tal & Groethuysen / Sony Classics S2K 58 955 (LC 6868)
14 b) Musik Rumänische Ballade: Tr. 11 "Balada lui Corbea" bis 2:35
Taraf de Haidouks: Honourable Brigands, Magic Horses and Evil Eyes
"Balada lui Corbea" (trad./ohne)
Cram World CRAW 13 (LC 8689) übergehend in:
14 c) Musik Schubert: "Divertissement à l'hongroise" D 818 Tr. 4 bis 3:32
Franz Schubert: Piano Music for four hands
Duo Tal & Groethuysen / Sony Classics S2K 58 955 (LC 6868)
Aber es ist nicht sehr wahrscheinlich, dass sich Schubert auf eine solche Musik, wie sie eben erklang, wirklich bezogen hat. Wenn er Ähnlichem auf dem Lande (draußen, bei Exkursionen vom Schloss aus) begegnet wäre, ob "all'ongarese", "alla zingarese" oder "alla romanesca", so würde er es kaum als artverwandt erkannt haben. In der Tat lautet denn auch die Geschichte zum Divertissement Hongroise ganz anders, wie wir von einem Ohrenzeugen wissen:
Zitat:

"Das Thema (....), ein ungarisches Lied, holte sich Schubert zu Zseliz in der Küche des Grafen Esterházy, woselbst es eine ungarische Küchenmagd sang, und Schubert, welcher eben mit mir von einem Spaziergang nach Hause kam, es im Vorübergehen hörte. Wir lauschten längere Zeit dem Gesang, Schubert hatte offenbar Wohlgefallen an dem Liede, brummte es lange noch im Weitergehen vor sich hin, und siehe da, im nächsten Winter erschien es als Thema im erwähnten opus 54, eines seiner herrlichsten Klavierstücke."

(Dürr/Feil S. 325)
Nirgendwo war Schubert vielleicht weniger "in der Fremde" als im ungarischen Zseliz. Und es waren auch nicht solche Spaziergänge oder Wanderungen, die für ihn das Bild des ruhelosen Wanderers zu einem Symbol der modernen Existenz machten.
Bei seinem ersten Aufenthalt dort, im Jahre 1818, hatte er geschrieben:
Zitat:

"Ich lebe und komponiere wie ein Gott, als wenn es so seyn müßte. Mayrhofers Einsamkeit ist fertig, und wie ich glaube, so ists mein Bestes, was ich gemacht habe, denn ich war ja ohne Sorge ... Jetzt lebe ich einmal, Gott sei Dank, es war Zeit, sonst wär noch ein verdorbner Musikant aus mir geworden."
6 Jahre später, 1824, ist alles anders; im März schrieb er an seinen Freund Kupelwieser:
Zitat:

"Denk Dir einen Menschen, dessen Gesundheit nie mehr richtig werden will, und der aus Verzweiflung darüber die Sache immer schlechter statt besser macht, denke Dir einen Menschen, dessen Hoffnungen zu Nichte geworden sind... (...)"
Schubert gesundet zwar, zumindest für eine Weile, er darf wieder nach Zseliz, verliebt sich in die Komteß Karoline von Esterházy, - und als er im Oktober zurückkehrt, findet ihn Moritz von Schwind "gesund und himmlisch leichtsinnig, neu verjüngt durch Wonne und Schmerzen und heiteres Leben".
Schubert selbst hatte aus Zseliz an seinen Bruder Ferdinand geschrieben und beiläufig den Eindruck zu zerstreuen gesucht, es gehe ihm nicht gut:
Zitat:

"...so beeile ich mich, Dich des Gegenteils zu versichern. Freylich ists nicht mehr jene glückliche Zeit, in der uns jeder Gegenstand mit einer jugendlichen Glorie umgeben scheint, sondern jenes fatale Erkennen einer miserablen Wirklichkeit, die ich mir durch meine Phantasie (Gott sey's gedankt) so viel als möglich zu verschönern suche! Man glaubt an dem Orte, wo man einst glücklicher war, hänge das Glück, indem es doch nur in uns selbst ist..."
15) Musik aus: "Der Wanderer" 1:37
Schlussstrophe:
Ich wandle still, bin wenig froh,
Und immer fragt der Seufzer: wo? Immer wo?
Im Geisterhauch tönt's mir zurück:
"Dort, wo du nicht bist, dort ist das Glück!"


Dietrich Fischer Dieskau, Bariton; Gerald Moore, Klavier
Schubert Edition Deutsche Grammophon 437 218-2. LC 0173
Das durch Schubert berühmte Gedicht ist so angelegt, als handle es sich tatsächlich um einen Fremdling, den es vom Gebirge ans Meer verschlagen hat, - unter fremde Menschen, die seine Sprache nicht sprechen. Bei Schubert ist daraus der Wanderer geworden, auch: "Der Unglückliche"; und das Land "so hoffnungsgrün", das er sucht, "ist ein utopisches Land, unerreichbar, und wo immer der Wanderer sich auch tatsächlich befindet, dort ist sein Glück nicht." (Dürr S. 64)
Es scheint paradox, wenn das Leiden an der Fremdheit mit Fernweh Hand in Hand geht. Aber es ist ja nicht wirklich die Fremdheit, sondern die Entfrem-dung, die hier ihren Ausdruck fand. Wenn Fremdheit leiden machte, so kam sie weder aus der realen, fernen Fremde, noch befand man sich selbst dort: - sie kam aus der eigenen Gesellschaft, selbst wenn das Wort "Gesellschaft" absolut nicht zu passen scheint: Ist es nicht eine agrarische, dörfliche, hinterwäldlerische Gesellschaft, die uns etwa in Schuberts "Winterreise" und im Zyklus der "Schönen Müllerin" entgegentritt? Zudem ein außerordentlich naives Ich, das diese einfache Welt nicht versteht? "Fremd bin ich eingezogen, fremd zieh ich wieder aus, der Mai war mir gewogen mit manchem Blumenstrauß. Das Mädchen sprach von Liebe, die Mutter gar von Eh'" - geht es naiver? Die Ehe als Hafen und Heimat? Es ist kein Wunder, dass die Geliebte ab Lied 14 aus dem Zyklus verschwindet und dass wir nichts über sie erfahren haben außer, dass sie in einem Haus wohnt und eine Mutter hat.
Ist die widrige Natur an ihre Stelle getreten?
Nicht die Liebesgeschichte steht im Mittelpunkt der "Winterreise", sondern die ebenso unheilvolle wie unvermeidliche Trennung von Welt und Mensch, mit der Folge, dass das emanzipierte Individuum auch die Natur nur als Fremdes verstehen oder missverstehen kann.
(Erschrecken Sie nicht: in dieser Aufnahme gibt es einen Bruch, der nicht von Schubert stammt: auch das dort angefügte zweite Lied stammt nicht von ihm, so ähnlich es klingt.)
16a) Musik "Winterreise" "Fremd bin ich eingezogen" bis genau (Klavier) 0:58
Franz Schubert: "Die Winterreise" D.911
Olaf Bär, Bariton; Geoffrey Parsons, Klavier
EMI Records CDC 7 49334 2 (LC 0110)
übergehend in:
16b) Musik Schwedisches Lied "Se solen sjunker" (Tr. 18) bis: 2:30
Schubert und die Volksmusik / Salzburger Hofmusik, Leitung Wolfgang Brunner
Werner Bind, Bass; Wolfgang Brunner, Hammerklavier
felicitas 41 662 8 (LC 6106)
Sie haben den irritierenden Übergang bemerkt, nicht wahr, den Wechsel der Stimmen, den Tempowechsel; aber auch die Gemeinsamkeiten: die Tonart, das Motiv des Abstiegs von der Mollterz über die Sekunde zum Grundton, auch den Schreitrhythmus. Das erste Lied aus dem Zyklus "Die Winterreise" und ein fremdartiges Volkslied, das Schubert Anfang November 1827 im Hause der mit ihm befreundeten Fröhlich-Schwestern kennengelernt hat: es muss ihn wie ein Blitz getroffen: "Se solen sjunker ner back höga bergens topp" - Sieh die Sonne versinken hinter hohen Bergesspitzen in die dunklen Schatten der Nacht... Ein junger schwedischer Sänger namens Isak Albert Berg war zu Besuch - Josephine Fröhlich kannte ihn vom gemeinsamen Gesangsstudium in Kopenhagen - , und er trug nun dieses Lied neben anderen Liedern seiner Heimat beim Hauskonzert vor. Ob er es selbst bearbeitet oder sogar komponiert hatte, wissen wir nicht. Schubert jedenfalls war fasziniert und bat sogleich um eine Abschrift, über die er einige Zeit nachsann.
Was herauskam, war eine ungeheuerliche Cello-Melodie, ganz anders als die Vorlage, die aber doch in der Substanz wiedererkennbar ist: ein Thema, das bezeugt, wie das Eigene im Fremden wiedergefunden wird und wie das fast Fremde sich in etwas ganz Eigenes verwandelt:
17) Musik Cello-Thema aus Trio Es-dur (anschl. Klavier) 1:39
Klaviertrio Es-dur op.100 D 929 (1827) Andante con moto
Schubert Klaviertrios 2 Abegg Trio
TACET 66 (LC 07033
Der Anfang ist anders: der naive Gang vom Grundton aufwärts und zurück ist durch eine Wendung ersetzt, über die man eine Geschichte schreiben könnte: sie hängt von fern mit dem Atlas-Thema zusammen, also auch mit Beethovens Klaviersonate op. 111. Dieses Leidensmotiv der verminderten Quarte. Sehr bedeutsam, mit tragisch-barocker Geste in Schumanns zweiter Sinfonie.
Es lässt sich bei Bach aufzeigen, auf den sich Schumann wahrscheinlich, aber Schubert wahrscheinlich nicht bezieht, zu Anfang der Triosonate des "Musikalischen Opfers":
18) Musik J.S.Bach Musikalisches Opfer BWV 1079 Triosonate Largo 1:21
Solisten des London Festival Orchestra Ensemble, Ltg. Ross Pople.
Arte Nova Classics 74321 30489 2 (LC 3480)
Aber auch das, was bei Schubert verblüffend mit der schwedischen Melodie übereinstimmt, ist nun reiner Schubert. Fraglich allenfalls, ob er ohne die Autorisierung durch das Volkslied, - damals sagte man "Nationallied" -, den scheinbar nichtssagenden, zweimaligen Oktavsprung in die Tiefe gewagt hätte, dem dann der Dezimensprung in entgegengesetzter Richtung Paroli bietet.
Ein Fremdes ist also bewahrt, ein Fremdes, das zweifellos durch die Ausbildung des Sängers und seine Bearbeitung dem mitteleuropäischen Kunstmusikstandard bereits angenähert war; nur so, durch diesen Filter war fremde Musik zu jenem Zeitpunkt wahrnehmbar.
Und selbst wenn damals in Wien Volksmusik aus dem Alpenland zu hören war, so war sie genau so "echt" oder "unecht" wie jede Musik, die seit langem in reger Wechselwirkung mit dem städtischen Geschmack existiert hatte. Die Musikgruppen in Kärnten, Tirol und in der Steiermark spielten für zahlende Touristen, die damals noch "Sommerfrischler" genannt wurden. Und Ensembles aus den genannten Gebieten reisten gewissermaßen den Sommerfrischlern hinterher, waren beliebte "Pausenfüller in den bürgerlichen Konzertsälen und Opernhäusern", spielten und sangen bei kleinstädtischen Festlichkeiten und in großstädtischen Gastwirtschaften. Am 9. Oktober 1828 traten die steyrischen Alpensänger Fischer und Freudenschuß [was für ein Name!] im Theater in der Josephstadt zu Wien auf, von einem Violinspieler und einem Cytherspieler begleitet. Die Zeitung schrieb:
Zitat:

"Man muß (...) gestehen, daß solch ein Gesang zehn Mal mehr entzückt, als manche italienische Arie. [Der Sänger] verschmilzt mit seinen Nationalweisen Rossini'sche Motive, seine reine, kräftige und metallreiche Stimme, seine Fermate, seine Übergänge vom Forte bis zum sanftesten Piano, seine messe di voce, das Gefühl, der Ausdruck und die Wärme, mit der er seine Lieder vorträgt, machen einen ganz fremden, zauberischen Eindruck auf das Gemüt der Zuhörer und versetzen alles in die fröhlichste Stimmung. Nicht wenig dazu trägt die einfache geräuschlose und eigentümliche Instrumentalbegleitung bey. Dieser Gesang kommt vom Herzen und geht zum Herzen. Man hört nicht nur, sondern empfindet auch dabey... man hört und träumt und wähnt auf den Alpen zu seyn."

(Bäuerles Theaterzeitung 31, 1828, S. 503, 18. Oktober 1828 nach MGG "Alpenmusik").

Nationalweisen - damit sind ethnisch oder regional klar zuzuordnende Lieder gemeint - verschmolzen mit Rossini'schen Motiven, - man kann sich lebhaft vorstellen, was für eine Mischung das war, und doch ist von einem "ganz fremden, zauberischen Eindruck" die Rede. Man "wähnt auf den Alpen zu sein."

19) Musik "Der Hirt auf dem Felsen" (Klarinetten-Einleitung) 1:48
Schubert und die Volksmusik
Salzburger Hofmusik, Leitung Wolfgang Brunner
Verena Krause, Sopran; Wolfgang Brunner, Hammerklavier
felicitas 41 662 8 (LC 6106)
Vielleicht ist es kein Zufall, dass Schubert im Oktober 1828, gerade als dieses alpenländische Konzert stattgefunden hatte, seine Komposition "Der Hirt auf dem Felsen" schrieb? Die Sängerin Anna Milder hatte ihn schon vor 3 Jahren darum gebeten.
Er wusste nicht, dass er nur noch einen Monat zu leben hatte, er machte sich gerade daran, vermeintliche musikalische Schwächen zu beseitigen und verabredete regelmäßigen Kontrapunkt- und Fugen-Unterricht. Als er bettlägerig wurde, las er von James Fenimore Cooper "Der letzte Mohikaner", auch den "Lederstrumpf"-Band, der 5 Jahre vorher gerade in deutscher Übersetzung herausgekommen war, und er bat inständig um weitere Bücher des Autors.
Die Fremde reizte ihn.
Zitat:

Wenn auf dem höchsten Fels ich steh',
In's tiefe Tal herniederseh',
Und singe,
Fern aus dem tiefen dunkeln Tal
Schwingt sich empor der Wi(e)derhall
Der Klüfte...
20) Musik "Der Hirt auf dem Felsen": ab Gesang bis 2:47
Schubert und die Volksmusik
Salzburger Hofmusik, Leitung Wolfgang Brunner
Verena Krause, Sopran; Wolfgang Brunner, Hammerklavier
felicitas 41 662 8 (LC 6106)
Wie diese Mischung aus Fernweh und musikalischem Glück entsteht, ist Schuberts Geheimnis, auch wenn es hier mit Händen zu greifen scheint: Die Transzendierung des ethnisch klar zugeordneten Jodlers, die sinnig nachgezeich-nete Topographie der Berglandschaft durch die auf- und absteigenden Melodie-bewegungen, die Wanderschaft durch fremde Tonräume in kunstvoll ausweichenden Modulationen.
Es ist eine "imaginäre Folklore", - die Imagination einer zugleich fremden wie auch reinen und widerspruchsfreien Welt.
Hier verschmilzt die Vorstellung der fremden Szenerie mit der Utopie der besseren Welt, in die man sich durch holde Kunst entrückt. Es soll klingen, als gebe es tatsächlich ein Refugium, in das die unaufhaltsam fortschreitende Zivilisation noch nicht vorgedrungen ist. Und doch ist alles, was wir hören, durch und durch kulturell vermittelt.
Das real ethnisch Fremde und widerständig "Andere" wird in Schuberts Welt nur bedingt wahrgenommen, und sein vielfach beschworenes, in allen tonalen Mitteln verknapptes Lied "Der Leiermann" - als Endpunkt - ist keine Ausnahme. Heute sind wir allenthalben zur Auseinandersetzung mit dem kulturell Fremden geneigt und - gezwungen. Es ist jedenfalls an der Zeit wahrzunehmen, dass es wirklich existiert, - was allerdings unsere Ich-Irritation nicht mindert. Die wenigen Beispiele dieses Vortrags, die innerhalb des westlichen Horizontes nicht ohne weiteres subsumierbar und konsumierbar sind, konnten das vielleicht verdeutlichen. Für mich haben sie - sagen wir - subkutan mit Schubert zu tun, aber das muss nicht für jeden so sein.

Mein Fazit:
Die Neugier auf das ferne Fremde ist eine völlig andere Sache als die Nah-Erfahrung des kulturell Anderen. Und in beiden Fällen arbeitet im Hintergrund noch die Gewissheit, dass ein Riss durch die eigene Welt und durch das eigene Ich geht, ein Riss, der die Moderne kennzeichnet und der nicht reparabel ist.
Das sind die Fakten, die nicht miteinander vermischt werden sollten, schon gar nicht, indem man auf die Universalität des eigenen, westlichen Befindens pocht.
Es gab ja, 100 Jahre nach Schubert, nicht nur Debussy, Janácek, Gustav Mahler, Béla Bartók, - damals begann auch die Entwicklung einer ernsthaften Musikethnologie, die das Aller-Fremdeste in die engste Betrachtung einbezog und am Ende sogar Konzepte von Bi-Musikalität und Multi-Musikalität entwarf. Was nicht hindert, dass man nun, mit verändertem Blick, auch das Einzigartige in der eigenen Kultur deutlicher wahrnimmt: den merkwürdigen Fremdling Schubert zum Beispiel, der nur in seltenen Fällen wirklich "fremde" Musik zu Rate zog.
Und die Fremdheit der schwedischen Melodie lag vielleicht eher in einer punktuellen Dürftigkeit, dem zweimaligen Oktavsprung nach unten, dem ungeschlachten Dezimensprung nach oben, es ist etwas Kindliches darin, auf das ein hochkultivierter Künstler so leicht nicht verfallen wäre.

21) Musik Cellomelodie Klaviertrio Es-dur (+ Klavier) 1:38
Klaviertrio Es-dur op.100 D 929 (1827) Andante con moto
Schubert Klaviertrios 2 Abegg Trio
TACET 66 (LC 07033
Der Kulturwissenschaftler und Politologe Peter Weber-Schäfer hat den allmählichen Wechsel der westlichen Blickrichtung analysiert:
Zitat:

"Die spezifische Neugierde des Abendlands auf fremde Kulturen ist motiviert vom gebrochenen Selbstbewusstsein der Moderne, einem Bewusstsein, das sich bemüht, Eigenverstehen im Fremdverstehen zu finden und so jene Sicherheit des eigenen Ich wiederherzustellen, die ihm nicht mehr selbstverständlich ist." "Der interkulturelle Vergleich als Versuch einer Analyse des Fremden, um das Eigene besser verstehen zu können, ist dasjenige Unternehmen der europäischen Moderne, in dem diese nicht ihre Universalität, sondern ihre Einzigartigkeit entdeckt."

(Peter Weber-Schäfer S.252 f).
Und dazu gehört gewiss auch die Epoche der Romantik, die sich ins Unbestimmte sehnt, das Eigene ernstlich in Frage stellt und unvermerkt neue Horizonte öffnet. Mag "die Sonne auch versinken hinter hohen Bergesspitzen in die dunklen Schatten der Nacht...."
Wie endet doch der Lederstrumpf-Roman, den Schubert auf dem Totenbett las?
Zitat:

"Fern am Waldrand stand der alte Jäger. Noch einmal erhob er grüßend die Hand, dann nahm das Dickicht ihn auf.
Sein Weg führte der sinkenden Sonne zu, nach jenen Gegenden, die von der unaufhaltsam vorrückenden Kultur bisher noch unberührt geblieben waren."
Mit diesem Cooper-Zitat endete eine nachmittägliche Schubert-Sendung, die ich vor einiger Zeit im Radio SWR2 gemacht habe. Der heutige Abendvortrag soll dagegen ein echtes Finale haben und vielleicht eher mit aufgehender Sonne zu tun haben. Je nachdem, wie Sie's hören wollen.
Sie haben diese einzigartige Cello-Melodie aus dem langsamen Satz des Klaviertrios Es-dur jetzt sicher gut im Ohr, nicht wahr?
Im Originalverlauf des Klaviertrios liegt sie dagegen am Ende weit, weit hinter uns; es folgt ja ein Scherzo und auch noch der größte Teil des ausgedehnten, quirligen Finales.
Aber dann geschieht etwas Unerhörtes, sie kehrt völlig überraschend wieder, und zwar in einer unglaublichen Transformation: das Tempo geht strikt weiter, der wirbelnde Lebenstrom verwandelt sich in ein typisch Schubertsches "Flussbett", Kaskaden des Klavier regnen herab, pianissimo (und doch steht appassionato darüber), und hier - gewissermaßen hineinprojiziert - ausgerechnet an dieser Stelle zeigt sich noch einmal das Cello-Thema: wie eine wundersame Himmelserscheinung.
Man mag den abschließenden Aufschwung kaum für bare Münze nehmen: der "Fremdkörper" (Arnold Feil) aus Schweden wirkt nach, gleich einem Menetekel.
22) Musik Finale des Klaviertrios (Schluss mit Wiederkehr der Cellomelodie) 2:09
Klaviertrio Es-dur op.100 D 929 (1827) Allegro moderato
Schubert Klaviertrios 2 Abegg Trio
TACET 66 (LC 07033
© Dr.Jan Reichow 2008

Zitierte oder empfehlenswerte Literatur

  • Peter Gülke
    Schubert und seine Zeit
    Laaber 1996
  • Walther Dürr und Arnold Feil
    Franz Schubert
    Stuttgart 1991
  • Walther Dürr
    Schubert in: MGG Personenteil 15
    Kassel Stuttgart etc. 2006
  • Manfred Willfort
    Das Urbild des Andante aus Schuberts Klaviertrio Es-dur, D 929,
    veröffentlicht in: Österreichische Musikzeitschrift Register 1978, 33. Jahrgang, S. 277 ff
  • Rüdiger Safranski
    Romantik Eine deutsche Affäre
    München 2007
  • Rudolf Krämer-Badoni
    Über Grund und Wesen der Kunst
    Frankfurt am Main 1960
  • Walter Leifer
    Indien und die Deutschen
    Tübingen und Basel 1969
  • Kalidasa
    Sakuntala
    Drama in sieben Akten
    Einführung, Übersetzung aus dem Sanskrit und Prakrit und Anmerkungen von Albertine Trutmann
    Zürich 2004
  • Alain Daniélou
    Die Musik Asiens zwischen Mißachtung und Wertschätzung
    Ein Beitrag zum Problem kultureller Entwicklung in der Dritten Welt
    Wilhelmshaven 1973
  • Maximilian Hendler
    Musikästhetik und Grenzen im Kopf
    Man. / Graz 2002
  • Joep Bor
    Indische Musik und der Westen
    MGG Sachteil Bd. 4 Artikel Indien Sp. 733 ff /
    MGG Musik in Geschichte und Gegenwart, Allgemeine Enzyklopädie der Musik
    Kassel, Basel, London etc. 1996
  • Jacob Haafner (1754-1809)
    Reise nach Bengalen und Rückreise nach Europa
    Aus dem Niederländischen übersetzt und herausgegeben von Thomas Kohl
    Mainz 2004 / s.a.: www.jacob-hafner.de
  • Peter Weber-Schäfer
    "Eurozentrismus" contra "Universalismus".
    Über die Möglichkeiten, nicht-europäische Kulturen zu verstehen
    in: Manfred Brocker, Heinrich H. Nau (Hrg.)
    Ethnozentrismus / Möglichkeiten und Grenzen des interkulturellen Dialogs
    Darmstadt 1997
  • Bernhard Sorg
    Das lyrische Ich
    Tübingen 1984
  • Wolfgang Suppan
    Artikel Alpenmusik in MGG Sachteil 1 Sp. 474
    Kassel 1994
  • James Fenimore Cooper
    Lederstrumpf oder Die Ansiedler am Otsego-See (1823)
    nach "The Pioneers or The Sources of Susquehanna"
    übertragen und für die Jugend bearbeitet von Friedrich Meister
    Internet: math.sun.ac.za/~prodinger/ansiedler-kinder.pdf


Musik / Lizenzliste

  • 1) "O wie schön ist deine Welt, Vater, wenn sie golden strahlet!" 0:29
    (Im Abendrot)
    Franz Schubert: Abendbilder. Christian Gerhaher, Bariton; Gerold Huber, Klavier.
    RCA 8287 677716 2 (Sony BMG)
  • 2) Schubert: Nachthelle D 892 1.Teil 1:51
    Franz Schubert: Lieder und mehrstimmige Gesänge
    Carus-Quintett / Bayer Records BR 100288 (LC 8498)
  • 3) Schubert: Nachthelle D 892 2.Teil 4:25
    Franz Schubert: Lieder und mehrstimmige Gesänge
    Carus-Quintett / Bayer Records BR 100288 (LC 8498)
  • 4) Beethoven op. 111 Takt 1-4 0:23
    Beethoven Die späten Klaviersonaten mit Maurizio Pollini
    Deutsche Grammophon 449 742-2 (LC 0173) Aufnahme 1976
  • 5) Beethoven op. 111 ab Themenansatz Takt 19 0:12
    Beethoven Die späten Klaviersonaten mit Maurizio Pollini
    Deutsche Grammophon 449 742-2 (LC 0173) Aufnahme 1976
  • 6) Schubert: Der Atlas 1:58
    Schubert / Schumann / Mendelssohn Bartholdy
    Lieder nach Gedichten von Heinrich Heine
    Christoph Prégardien, Tenor; Andreas Staier, Fortepiano
    deutsche hamonia mundi 05472 77319 2 (LC 0761)
  • 7) Sobha Gurtu: Raga Basant 2:25
    "Phagua Brij Dekkan Ko Chali Ri" Raga Basant (trad./ohne)
    Sobha Gurtu, Voice; Sultan Khan, Sarangi; Nizamuddin Khan, Tabla
    CMP Records 3004 (LC 6055)
  • 8) Schubert: "Die Krähe" aus der Winterreise 0:39
    Franz Schubert: Die Winterreise D.911
    Olaf Bär, Bariton; Geoffrey Parsons, Klavier
    EMI Records CDC 7 49334 2 (LC 0110)
  • 9) Aus: Sakontala CD II "Ich bin ein armer Fischer" 0:59
    Franz Schubert: Sakontala / Version Karl Aage Rasmussen
    Kammerchor Stuttgart, Deutsche Kammerphilharmonie Bremen,
    Nold, Havár, Loges, Jarnot, Snell; Leitung Frieder Bernius
    SWR Carus 83.218 (LC 3989)
  • 10) Hindu-Tempelmusik (trad./ohne) 1:10
    Eigenaufnahme Vuylsteke/Reichow Sri Lanka 1979
  • 11) Indischer Rhythmus (trad./ohne) 3:25
    Tabla & Sarangi Virtuoso Zakir Hussain, Tabla; Sultan Khan, Sarangi
    Chhanda Dhara (Stuttgart) SNCD 70495
  • 12) Ali Brothers (Pakistan) in G 1:11
    Thumri in Raga Pahadi (trad./ohne)
    Nazakat & Salamat Ali Khan World Network 55.837 (LC6759)
  • 13) Schubertsches "Flussbett" C-dur-Sinfonie 0:55
    Franz Schubert: Sinfonie C-dur D. 944
    Kölner Rundfunk Sinfonieorchester Günter Wand
    RCA Red Seal (Sony BMG) 09026639402
  • 14a) Schubert: Divertissement à l'hongroise D 818 0:40
    Franz Schubert: Piano Music for four hands
    Duo Tal & Groethuysen / Sony Classics S2K 58 955 (LC 6868)
  • 14b) Rumänische Ballade: Tr. 11 "Balada lui Corbea" 1:55
    Taraf de Haidouks: Honourable Brigands, Magic Horses and Evil Eyes
    "Balada lui Corbea" (trad./ohne)
    Cram World CRAW 13 (LC 8689)
  • 14c) Schubert: Divertissement à l'hongroise D 818 0:57
    Franz Schubert: Piano Music for four hands
    Duo Tal & Groethuysen / Sony Classics S2K 58 955 (LC 6868)
  • 15) Schubert: "Ich wandle still, bin wenig froh" 1:37
    Schlussstrophe aus:
    Franz Schubert: Der Wanderer
    Dietrich Fischer Dieskau, Bariton; Gerald Moore, Klavier
    Schubert Edition Deutsche Grammophon 437 218-2. LC 0173
  • 16a) Winterreise "Fremd bin ich eingezogen" 0:58
    Franz Schubert: Die Winterreise D.911
    Olaf Bär, Bariton; Geoffrey Parsons, Klavier
    EMI Records CDC 7 49334 2 (LC 0110)
  • 16b) Schwedisches Lied "Se solen sjunker" (trad./ohne) 1:32
    Schubert und die Volksmusik
    Salzburger Hofmusik, Leitung Wolfgang Brunner
    Werner Bind, Bass; Wolfgang Brunner, Hammerklavier
    felicitas 41 662 8 (LC 6106)
  • 17) Cello-Thema aus Trio Es-dur 1:39
    Klaviertrio Es-dur op.100 D 929 (1827) Andante con moto
    Schubert Klaviertrios 2 Abegg Trio
    TACET 66 (LC 07033)
  • 18) J.S.Bach Musikalisches Opfer BWV 1079 Triosonate Largo 1:21
    Solisten des London Festival Orchestra Ensemble, Ltg. Ross Pople.
    Arte Nova Classics 74321 30489 2 (LC 3480)
    (Achtung: Aufnahme als Ganzes nicht zu empfehlen!)
  • 19) Der Hirt auf dem Felsen (Einleitung Klarinette) 1:48
    Schubert und die Volksmusik
    Salzburger Hofmusik, Leitung Wolfgang Brunner
    Verena Krause, Sopran; Wolfgang Brunner, Hammerklavier
    felicitas 41 662 8 (LC 6106)
  • 20) Der Hirt auf dem Felsen 1:15
    Schubert und die Volksmusik
    Salzburger Hofmusik, Leitung Wolfgang Brunner
    Verena Krause, Sopran; Wolfgang Brunner, Hammerklavier
    felicitas 41 662 8 (LC 6106)
  • 21) Cellomelodie Klaviertrio Es-dur 1:38
    Klaviertrio Es-dur op.100 D 929 (1827) Andante con moto
    Schubert Klaviertrios 2 Abegg Trio
    TACET 66 (LC 07033)
  • 22) Finale des Klaviertrios (mit Wiederkehr der Cellomelodie) 2:09
    Klaviertrio Es-dur op.100 D 929 (1827) Rondo Allegro vivace
    Schubert Klaviertrios 2 Abegg Trio
    TACET 66 (LC 07033)


NACHWORT

Dieser Text war in einer vorläufigen und stark verkürzten Fassung Grundlage einer Sendung, die bereits am 26. Juni 2008 in SWR 2 gesendet worden ist (Redaktion: Rainer Peters).
Die Anregung, dieses Thema auszuarbeiten, ging jedoch vom Alfried Krupp Wissenschaftskolleg Greifswald aus und war für mich von besonderer Bedeutung, da ich in Greifswald geboren bin. Mein Dank gilt also ganz besonders dieser Institution, Dr. Reinold Schmücker, und den beratenden Musikwissenschaftlern der Greifswalder Ernst Moritz Arndt Universität: Prof. Dr. Matthias Schneider, Prof. Dr. Walter Werbeck und Dr. Peter Tenhaef.

Erst im September 2007 hatte ich Greifswald zum erstenmal nach 1945 wiedergesehen, aber so lange ich denken kann, haben die Bilder von Caspar David Friedrich in unserer Familie eine Rolle gespielt, insbesondere der Blick auf Greifswald von den vorgelagerten Wiesen und Feldern her; man zeigte auf die beherrschenden Türme des Domes St. Nicolai und der Kirche St. Marien und sagte: "Dazwischen liegt der schöne Markt, und in der dicken Marie bist du getauft."

Des weiteren wurde nicht vergessen, dass mein Vater am 7. März 1938, - es ist also gerade 70 Jahre her - in der Greifswalder Stadthalle "Die Jahreszeiten" von Joseph Haydn aufgeführt hat; drei Jahre vorher war er als Pianist mit Schuberts Wandererfantasie, der Chaconne von Bach-Busoni und anderem hervorgetreten; es sah wie der Beginn einer Greifswalder Karriere aus. Artur Reichow dirigiert Die Jahreszeiten, Greifswald 1938 Stattdessen kam der Krieg.

Als ich mich in den 60er Jahren mit Indien zu beschäftigen begann, habe ich aufmerksam registriert, dass der große Indologe Heinrich Zimmer auf den Tag genau 50 Jahre vor mir in Greifswald geboren ist (6.12.1890), während ich später mit einer gewissen Erleichterung feststellte, dass sein anderes Eckdatum (gestorben 20.03.1943 in New York) wohl nichts mit mir zu tun hat.

Überhaupt glaube ich nicht an Zahlen, - ungeachtet dieses Schuberttextes (2008), der ausgerechnet im Jahre 1808 ansetzt.
Reiner Zufall!



© Dr.Jan Reichow 2008



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